• Gelesen: Jehona Kicaj – ë

    Ähnlich wie bei Derviş Hızarcı: Viel zu selten lese ich solche Bücher; im Fall von ë sind das Bücher, welche die gesellschaftliche Normalität und Realität von Einwanderung und Migrationsgeschichte erhellen. Große Empfehlung.

    Mehr zu ë auf der Homepage von Jehona Kicaj.

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  • Gelesen: Thomas Bernhard – Frost

    Der erste von zweiundzwanzig Bänden des Gesamtwerks. Es dauerte ein wenig, bis ich in den von Monologen und Tiraden geprägten Text hineinfand. Dann wurde er sehr gut.

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  • World University Games

    Zumindest am letzten Tag wollte ich im neuen Lohrheidestadion noch ein wenig Leichtathletik gucken. Das hat Spaß gemacht, vor allem der  Stabhochsprung.

    Das Drumherum nervte geringfügig: Tickets gab es nur online, an den Kiosken galt hingegen ausschließlich Barzahlung.

    Vor allem kam man mit dem Bus 365 zwar hin, aber nicht weg, denn die Haltestelle direkt am Stadion ist ebenso aufgehoben wie die nächste. Begründung: wegen einer Veranstaltung — also genau der Grund, der funktionierende Busse eigentlich nahelegen sollte.

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  • Lorde – Virgin

    Black pages with red drops of blood, signifying the wounds of Christ, from a psalter and rosary of the Virgin. Date ca. 1500 From BL Egerton 1821. Public Domain Image Archive

    Auch ich bin dem selektiven Hören von Songs zum Opfer gefallen. Ein Album vom Anfang bis zum Ende durchzuhören, hat leider inzwischen Seltenheitswert. Zeit ist knapp, Ablenkungen sind zahlreich, die Ausflüchte ebenfalls.

    Umso schöner, dass ich nach Jahren wieder auf ein Album gestoßen bin, das mich auf eine Weise packt, die zum Durchhören geradezu zwingt. Die mag es in den vergangenen Jahren auch gegeben haben, aber ich bekomme auch nicht mehr so viel von neuer Musik mit wie einst.

    Lorde ist eine Künstlerin, die ich bis dato allenfalls dem Namen nach kannte. Ihr viertes Album Virgin ist lupenreiner Pop, wie er mir kaum besser gefallen könnte. Elektronisch, mit einer kühlen Grundstimmung unter zahlreichen rauschhaften, gleißend-hellen, schwärmerischen Momenten, Passagen, Melodien und Hooks. Herrliche Musik und eine, wie ich gerade lerne, hochinteressante Künstlerin. Es wird viel zu entdecken geben.

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  • Andor

    Andor

    Frank Swinnerton Contemplating, From the Tight Little Isle, The Two Classes of Prigs Developed by Prohibition; Those Who Accept and Those Who Rebel. Ralph Barton, 1922. Public Domain Image Archive

    Nach achtundvierzig Jahren versucht Star Wars klarzustellen, dass das Imperium nicht lediglich das finstere Reich eines bösen Zauberers ist, sondern ein autoritäres, faschistisches Regime.

    Das ist endlich mal kein redemption arc für ein Jüngelchen, dass von der dunklen Seite verführt wurde, weil er in Natalie Portman verliebt ist. Hier gibt es nur Karrieristen, Befehlsausführer, Bürokraten, Mitläufer und Gewaltmenschen.

    Nach der ersten Staffel dachte ich, wie schade es sei, dass Andor im Star Wars-Universum spielt. Zu gut sei der Stoff für das fade Disney-Franchise. Staffel zwei gibt sich nur so wenig Mühe wie nötig, um klarzustellen, dass die Erzählung in das universe passt.

    Mehr denn je fällt auf: Es geht bei Star Wars stets und ausschließlich um Menschen; nicht nur im Imperium, dessen Fremdenfeindlichkeit hier merkwürdig runtergedimmt wird, sondern auch in der Rebellion. Vertreter:innen anderer Völker sind, von seltenen Ausnahmen abgesehen, Hintergrundfiguren mit dem Charakter von Muppets und subalternen Kreaturen.

    So wenig Science Fiction war ein Star Wars-Stoff auch noch nie: Die Welten, die hier besucht werden, könnten auch Städte auf irgendeinem fiktiven Erdenrund sein. Man reist und funkt mühelos und zeitlos hin und her. Es gibt eine französische Resistance-Welt mit Menschen im Stil der 1940er, Technologie kann immer genauso viel oder wenig, wie es der Plot bedarf: Droiden und Flugtaxis auf der einen, Fernsehschirme und primitive Kameraüberwachung auf der anderen Seite.

    Am meisten beeindruckt hat mich die Ausstattung von Andor: Fast jedes Set, jede Location, sah absolut fantastisch aus. Ich bin nicht mehr in der Lage, reale Sets von CGI zu unterscheiden. Besonders Coruscant sieht endlich so aus, wie ich es mir seit Lektüre der Timothy Zahn-Bücher vor über dreißig Jahren gewünscht habe. Gerne mehr davon – und am liebsten in einem originellen Stoff, außerhalb von Franchises.

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  • schlssprk

    Über dem Museum unter Tage grasen die Kanadagänse oder tun einfach, was sie tun, während Menschen zu Fahrrad und zu Fuß das Café mit dem keinesfalls ernstzunehmenden Namen Baristoteles aufsuchen oder es verlassen.

    Ich komme vom Sport, bin mit dem Rad aus der Stadt hierher gefahren und schwitze in einem unerhörten Maße nach, meide daher die überfüllten Terrassen des Cafés und sitze drinnen. Sie machen hier einen phänomenalen Käsekuchen, den man nun Cheesecake oder sogar New York Cheesecake nennt. Weiß New York davon? Vermutlich ist es wie mit dem Döner, der hier zunehmend und unnötigerweise als Berliner Spezialität vermarktet wird. In ein paar Jahren wird es wie mit der Currywurst sein, deren Urheberschaft diverse Städte und Regionen für sich reklamieren.

    Ich erwäge einen Museumsbesuch unter Tage. Es ist sehenswert, ohne zuviel Zeit in Anspruch zu nehmen. Zu dem Museum gehört zudem das angrenzende Areal Situation Kunst, dessen ständige ich ebenfalls in bester Erinnerung habe. Jedoch: nicht heute.

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  • Wahlen und Solutionismus

    Wahlen und Solutionismus

    Inside pages for This Little Book Contains Every Reason Why Women Should Not Vote, National Woman Suffrage Publishing Company, 1917. Public Domain Image Archive

    Man kann sich Wahlen als gelöstes Problem vorstellen: Stift, Papier und Urne gewährleisten Gleichheit und Geheimnis der Wahl gem. Art. 38 GG, tausende von Menschen stellen anschließend das Wahlergebnis fest und minimieren so die Manipulierbarkeit der Wahl. Die abgegebenen Stimmen liegen physisch vor und können gegebenenfalls nachgezählt werden. Das System ist nicht perfekt, aber es funktioniert hinreichend gut und möglicherweise besser als andere.

    Vor ein paar Jahren, als die Protagonisten und Verfechter der Blockchain – der solution without a problem – nach Problemen suchten, die sie lösen könnten, kamen auch Wahlen in den Blick. Angenehm skeptisch äußerte sich Jesse Dunietz 2018 in einem Beitrag für Scientific American: Are Blockchains the Answer for Secure Elections? Probably Not.

    Der Text fokussiert auf die Vereinigten Staaten, wo das Thema der election integrity bekanntlich überaus relevant ist – allerdings, so mein Eindruck, auch wegen des vorherrschenden Einsatzes von Wahlmaschinen. Dunietz: „nearly every electronic voting machine has proved hackable.“ Dem könne mit Blockchain aber kaum begegnet werden. Die rechtlichen und technischen Erfordernisse gingen weit über den Lösungsraum Blockchain hinaus.

    Umso verdutzter war ich heute, als ich die in dem Beitrag genannten Start-ups suchte und es die meisten von ihnen noch zu geben scheint; beispielsweise – absichtlich nicht verlinkt: democracy.earth, votem.com, voatz.com. Der USP mag im einen oder anderen Fall ein wenig von Blockchain abgerückt sein, aber versprochen wird weiterhin, Wahlen technisch auf irgendeine Art besser zu machen.

    Wie heißt der Gegenbegriff zum Solutionismus?

    Solutionismus beschreibt nach Evgeny Morozov eine Denkweise, wonach komplexe gesellschaftliche, politische oder kulturelle Probleme durch technologische Lösungen behoben werden könnten. Dem Begriff verwandt ist der verbreitete Kult um Start-ups und ihre Gründer (Entrepreneure), die stete Suche nach Innovation, der moderne Fortschrittsglaube mit seinem unbedingten Technikfokus, versinnbildlicht im iPhone-Moment und der Suche nach dem nächsten vergleichbaren Moment (vielleicht KI?).

    Ich stoße an dieser Stelle – auch in der Auseinandersetzung mit dem leidigen Smart City-Thema – immer auf eine gedankliche Nullstelle, an der mir der richtige Begriff fehlt. Damit meine ich einen Begriff dafür, dass es nicht grundsätzlich schlecht ist, wenn Dinge oder Prozesse mühsam sind, etwa weil sie Material erfordern, das bewegt werden muss, oder weil sie des Einsatzes vieler Menschen bedürfen. Unter Umständen ist die Friktion, ist die Verlangsamung, ist der Aufwand sinnhaft, zweckmäßig und erhaltenswert.

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  • Texte gut finden

    Texte gut finden

    Exclamation Point or Note of Admiration, Mr. Stops. 1824. Aus dem Public Domain Image Archive

    Ganz vergessen hatte ich, dass es für die Diskstation ja eine App namens Notestation gibt. Das ist so eine Art Evernote Klon auf dem Stand von vor etwa zehn Jahren. Eine Notizen-App auf dem eigenen Network Attached Storage, das war zu jener Zeit genau meine Kragenweite, also bis die neumodischen Second Brain-Apps kamen: erst Roam, dann Obsidian.

    Vor einigen Tagen jedenfalls erinnerte ich mich dunkel an einen Ideenstrang, der sich vage um Bayes’sche Statistik, Aumanns Agreement Theorem und angrenzende Themen rankt. In Obsidian fand ich dazu: nix. Claude schlug sich nicht schlecht, fand jedoch auch nicht genau das, was ich suchte.

    Wie so oft musste ich erstmal etwas völlig anderes machen, bis es mir durch den Kopf schoss: Notestation! Die App war noch da, die Notizen, immerhin über 600 Stück, hatten einen Festplattenumzug vor ein paar Jahren überstanden und die Suchfunktion zeitigte zuverlässig genau das, was ich suchte: Den Text Common Knowledge and Aumann’s Agreement Theorem von Scott Aaronson. Er wird bald zehn Jahre alt und er ist sehr gut. Vielleicht nicht die eindrucksvollste, aber eine bahnbrechende, ist diese Passage:

    The moral is that the mere act of saying something publicly can change the world—even if everything you said was already obvious to every last one of your listeners. For it’s possible that, until your announcement, not everyone knew that everyone knew the thing, or knew everyone knew everyone knew it, etc., and that could have prevented them from acting.

    Nun jedenfalls habe ich begonnen, langsam aber sicher die alten Notizen aus der Notestation in die aktuelle Notizen-App of Choice zu übrtragen. Vieles wird gelöscht werden, manches in bestehende Themencluster eingearbeitet. Das macht Spaß und führt zu interessanten Ideen.

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  • Gelesen: The Persuaders von Anand Giridharadas

    Cory Doctorow adelte The Persuaders als „a fantastic, energizing and exciting book about what it means to really change peoples‘ minds„. Ich fand es vor allem zäh, weil es in diesem angloamerikanischen Sachbuchstil geschrieben wurde und weil es einfach. nicht. aufhörte.

    Lesenswert war vor allem das Kapitel über Anat Shenker-Osorio, das auch in Doctorows Review meine Aufmerksamkeit auf das Buch lenkte. Die Strategin legt – vereinfacht gesagt – Wert darauf, die eigene Gefolgschaft zu mobilisieren, indem man die Gegner mit eigenen Forderungen verstört und so dazu bringt, sie zu wiederholen:

    Rather than hiding behind milquetoast pronouncements, we can use „good riddance“ statements that are meant to turn off our 0 percenters

    Ansonsten ist dieses Changing People’s Minds ein fragwürdiges Geschäft: Gut vorbereitete Canvasser treffen auf Menschen an der Haustür und befolgen erprobte Skripts mit dem Ziel des Überzeugens. Die Naivität, mit der das als regelrecht edle Tätigkeit präsentiert wird, die wunderbare Ergebnisse zeitigt, nervt auf Dauer sehr. Soweit ich weiß, hat die Trump-Kampagne 2024 deutlich weniger Wert auf dieses Ground Game gelegt und dennoch oder gar deswegen gewonnen.

    Teils spannend, teils ob ihrer ausufernden Länge irritierend, sind Kapitel zu Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez. Vor allem wirkt ein politisches System, welches auf solche Once in a Lifetime-Talente wie AOC angewiesen ist, mehr denn je aus der Zeit gefallen.

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  • Kollaps – Gewerkschaften – Neuanfänge

    Die anarchosyndikalistische Gewerkschaftsbewegung könnte, wenn sie sich auf ihre Wurzeln besinnt, dagegen eines der mächtigsten Werkzeuge sein, um den skizzierten Verwerfungen zu begegnen, die Bevölkerung effektiv zu schützen und den Blick auf eine positive Zukunftsvision bei allem Schlamassel nicht aus den Augen zu verlieren.

    Direkte Aktion

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