Autor: Wolf

  • 8.1.19: Fahrrad und Habeck

    Selbst bei Regen und in (zu warmer) Regenhose: Ich mag die morgendlichen Radfahrten zur Arbeit, denn sie bieten Gelegenheit zu ein wenig Bewegung bei frischer Luft und Tageslicht. Am Wochenende war ich zweimal zwei kleine Runden laufen und nahm irrigerweise an, das könnte ich morgens vor der Arbeit fortsetzen. Gestern stellte ich dann das Offensichtliche fest: Es ist bis mindestens acht Uhr noch viel zu dunkel.

    Und was mir auffiel: Ungewöhnlich viele Leute scheinen mit dem Rad unterwegs zu sein – im Januar, bei Regen. Radfahren findet Verbreitung und das trägt zum Sicherheitsgefühl bei, wenn man nicht einer von sehr wenigen Radfahrern im Straßenverkehr ist.


    Seit gestern denke ich über Robert Habecks Entscheidung, Twitter und Facebook zu verlassen nach. Was ich interessant finde: Sein erster Ausrutscher ereignete sich kurz vor der Bayernwahl: „Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern“. Konsequenzen auf das Wahlergebnis lassen sich nicht feststellen. Bündnis 90/Die Grünen haben ihren Stimmenanteil mehr als verdoppelt.

    Wenn aber selbst eingestandene Fehler trotz der unerbittlichen Fehlerkultur gegenüber Politikern keine negativen Folgen haben: Liegt es nicht nahe anzunehmen, dass sämtliche Anstrengungen in den sozialen Medien abgesehen vom Applaus der eigenen Aktivisten und der Kritik politischer Gegner keine Konsequenzen haben? Daher glaube ich, dass Habecks Entscheidung folgenlos bleiben wird. Das Wahljahr wird für die Grünen aber ohnehin ein schwieriges.

    Das Argument, er würde sich damit Debatten entziehen, geht aus meiner Sicht auch fehl. In den sozialen Medien finden keine politischen Debatten statt. Politische Debatte ohne Willensbildung – also Entscheidungen, Beschlüsse – ist sinnlos, unpolitisch. Wer Debatte will, muss derzeit noch in Parteien gehen – oder sich für funktionierende Online-Beteiligungsverfahren einsetzen (oder beides).


    Ein interessanter Artikel heute von An Xiao Mina – mit vielen lesenswerten Verlinkungen: The death of consensus, not the death of truth.

    The world as a whole and the West in particular is moving from a world of broadcast-based consensus to what scholar Penny Andrews has called digital dissensus

    Dabei war der Dissens ja immer da; Politik beginnt überhaupt erst da, wo kein Konsens möglich ist, wo also entschieden werden muss. Digitale Medien machen den Dissens, die Uneinigkeit, die andere Seite nur sichtbar(er).

  • Bücher 2018

    Anstatt mich auf externe Dienste wie Goodreads zu verlassen, habe ich 2018 erstmals einigermaßen konsequent alle gelesenen Bücher verbloggt und mit den Kategorien Bücher/2018 versehen.

    So kann ich hier auch viel Aufwand die Liste aller in 2018 gelesenen Bücher hinzaubern (nämlich mittels des feinen Category Posts Widget von WordPress), die folgt am Schluss.

    Highlights des vergangenen Lesejahres waren zweifellos Die Hauptstadt von Robert Menasse (der nun allerdings gerade damit von sich reden macht, einen nicht unwichtigen Teil des Romans, den er auch schon in anderen, nicht-literarischen Kontexten verbreitet hat, erfunden zu haben) sowie Unterleuten von Juli Zeh. Beides Leihgaben der geschätzten Kollegin bk.

    Im von mir geschätzten Science Fiction-Genre hat mich Tom Hillenbrands Hologrammatica positiv überrascht, Walkaway von Cory Doctorow musste hohen Erwartungen genügen, was ihm gelang.

    Mehr als in früheren Jahren (und daran will ich 2019 verstärkt anknüpfen), habe ich Bücher einfach mal nochmal gelesen. Das war besonders erfreulich bei allem von Ursula Le Guin (The Left Hand of Darkness, The Dispossessed), bei Banks‘ Consider Phlebas und bei Orwells 1984 (allerdings erstmals auf englisch gelesen). Hyperion hat allerdings etwas gelitten.

    Was politische Literatur betrifft, haben mich weder die Interviewreihe Anarchismus hoch 2 noch Mouffes linker Populismus nennenswert begeistert. Einzig Arendts Bändchen Die Freiheit, frei zu sein war inspirierend, ohne sich sprachlich unnötig selbst zu verkomplizieren. In diesem Jahr will ich endlich mehr Arendt lesen.

  • last.fm 2018

    Wie an jedem letzten Tag des Jahres protokolliere ich hier die im Jahresverlauf gehörte und auf meinem last.fm-Profil protokollierte Musik. Zu den älteren musikalischen Jahresabschlüssen geht es hier.

    2017 war offenbar nur ein Ausreißer und der Trend, dass ich von Jahr zu Jahr weniger Musik hörte, setzte sich auch 2018 fort: 3073 gespielte Titel waren so wenige wie nie. Weniger und anders genutzte Zeit – vor allem für Podcasts – ließ wenig Raum für Musik.

    2018 stand im Zeichen von Tortoise. Ich habe mir ihr TNT-Album (pünktlich zu dessen zwanzigjährigem Jubiläum) noch einmal neu erschlossen und den Drum’n’Bass/Jazz-Hit Jetty mit seinem lässigsten Gitarrensolo der Bandgeschichte erst so richtig entdeckt.

    Was Neuerscheinungen betrifft, so waren 2018 im Grunde nur Shame und Bodega erwähnenswert. Die einen aus Großbritannien, die anderen aus New York, aber beide mit dem für mich immer noch reizvollen treibenden Indierock/Punk-Sound. Shame dabei etwas melodiöser, Bodega etwas mechanischer:

    Unbedingt erwähnt werden muss das neue Beak>-Album, von dem ich aber erst vor drei Tagen erfahren habe und dem ÜBERhit Allé Sauvage:

    Niemand macht heute Krautrock so gut wie Beak>.

    Und hier nun also mit unumstößlicher Genauigkeit die Top50 der meistgehörten Bands und Künstler im Jahr 2018:

    1Tortoise379
    2Shame128
    3Somta115
    4Kimiko Ishizaka114
    5The Beach Boys105
    6Mantle101
    7Madness98
    8Run the Jewels89
    9Gidge85
    10Sonido Gallo Negro79
    11Marter & Yony77
    12Bodega74
    13Haley Heynderickx60
    14Gewalt52
    15Simon Pyke50
    16Boards of Canada49
    17Die Nerven47
    18Tocotronic45
    19Beak>40
    20Lightning Bolt40
    21The Fall36
    22L’Orange32
    23Jaimie Branch31
    24Antony and the Johnsons29
    25Swans28
    26Four Tet27
    27Disappears25
    28Radio Birdman25
    29Liars24
    30Nick Drake24
    31dEUS22
    32Charles Mingus21
    33Die Heiterkeit21
    34The 1978ers (yU & Slimkat)20
    35The Monochrome Set20
    36Do Make Say Think17
    37Mo Kolours17
    38Speedy Ortiz17
    39The Smiths17
    40Richard Skelton16
    41Achnn15
    42Beck15
    43Belong15
    44Lucho Neves y su Orquesta15
    45DJ Koze14
    46Rusty Joints14
    47TVO14
    48Ugly Heroes14
    49Figurines13
    50Juaneco y su Combo13

    Es folgen die Top20 der meistgehörten Songs und Titel:

    1Shame — Concrete20
    2Tortoise — Jetty19
    3Tortoise — A Simple Way to Go Faster Than Light That Does Not Work17
    4Tortoise — The Equator17
    5Tortoise — I Set My Face to the Hillside16
    6Tortoise — Swung From the Gutters16
    7Tortoise — Ten-Day Interval16
    8Bodega — How Did This Happen?!15
    9Lucho Neves y su Orquesta — Mambo de Machaguay15
    10Shame — One Rizla15
    11Tortoise — Everglade15
    12Shame — Dust On Trial14
    13Tortoise — The Suspension Bridge at Iguazu Falls14
    14Juaneco y su Combo — La Cumbia Del Pacurro13
    15Shame — The Lick13
    16Tortoise — TNT13
    17Bodega — Can’t Knock the Hustle12
    18Mantle — 112
    19Shame — Donk12
    20Shame — Tasteless12
  • 28.12.18: Fontopa und Eurane

    (Zuerst stand da Europa und Fontane, aber ich bin ja ein Freund des schlichten Sprachwitzes

    Verrichtungen dieses Tages: Wir haben einen Schrank gekauft (der im Februar geliefert wird). Und Lebensmittel für den Rest des Jahres.


    Drei Geographen sprechen sich im Blog der London School of Economics für ein Europa der Städte und Regionen aus:

    Often the real differences in the quality of life and the types of challenges and problems faced by Europe’s populations are not found across national borders but between regions, villages and cities or between rich and poor quarters of a town. And the rich quarters of Europe are all more similar to each other than to the poorer areas that are nearer to them.


    Bei der Georg-August-Universität Göttingen kann man sich durch Theodor Fontanes 67 Notizbücher klicken – nicht nur eingescannte Seiten, sondern auch Transkriptionen und sogar XML-Code. Sehr eindrucksvoll.

  • 27.12.2018: Nur ein paar Links

    Es gibt also gute Gründe, skeptisch zu sein gegenüber der mal suggestiven, mal disziplinierenden Macht von Geschichten. Nicht umsonst hat sich Thomas Bernhard zum „Geschichtenzerstörer“ stilisiert. Wenn er „in der Ferne irgendwo hinter einem Prosahügel die Andeutung einer Geschichte auftauchen“ sähe, dann schieße er sie ab.

    ltrtr.de | via Buddenbohm

    Beim DLF Kultur gibt es Bernhards Kalkwerk derweil als Hörspiel. Noch traue ich mich nicht.


    Micro.blog reiht sich in die Vielzahl an Diensten ein, die Social Networks anders und besser machen wollen. Ich bin dort zwar auch vertreten, habe aber bislang nicht so richtig verstanden, was genau dort anders und besser sein soll. Brad Enslen erklärt hier einiges in seinem Beitrag The Case for Moving Your Social Network to Micro.blog. Interessant:

    As the name Micro.blog implies the primary thing you can do on it is write short form posts like Twitter and Facebook.  But you can also post long form posts just like you would on a conventional blog, just keep typing and when you hit 280 characters in a post a Title Field appears and you are long form posting – effortlessly.  There is no friction or barriers between you and just writing.


    Der geschätzte Popblog präsentiert seine Alben des Jahres. Auf der 1: Eine Band aus Essen („und doch nur zugezogen“) mit ungooglebarem Namen. Und Überraschung! Es gab was Neues von Beak>>. Gleich gekauft.

  • 26.12.18: Auf der Erzbahntrasse

    Um mal wieder in Bewegung zu kommen und um die angenehm trockene Kälte zu nutzen sind wir heute rund zehn Kilometer auf der Erzbahntrasse vom Westpark bis Wanne-Eickel spaziergewandert – von dort zurück mit der Straßenbahn.

    Industrie, „Natur“ (eigentlich ist hier alles Kulturlandschaft) und Ortschaften prägen den Weg in schnellem Wechsel, dazu einige abenteuerliche Brücken – nichts für Leute mit Höhenangst – und viele sportive Radfahrer.


    The exiles fight back: Hayek, Popper and Schumpeter formulated a response to tyranny

  • 25.12.18: Vom Bünde nach Bochum

    Die heutige Bahnfahrt führte von Bünde über Bielefeld nach Bochum, erneut alle Verbindungen minutengenau pünktlich.

    Im ICE ab Bielefeld stieß ich zu Eva, die aus Göttingen kam. Wir haben es zuvor hinbekommen, für unabhängig voneinander gebuchte Fahrten benachbarte Plätze zu reservieren – höchste Bahnreisendenkunst.

    Sehr schön und eindrucksvoll: 99 Good News Stories You Probably Didn’t Hear About in 2018

    For the last 12 months, the global media has been focused on a lot of bad news. But there were other things happening out there too: conservation successes, huge wins for global health, more peace and tolerance, less war and violence, rising living standards, some big clean energy milestones, and a quiet turning of the tide in the fight against plastic. Stories of human progress, that didn’t make it into the evening broadcasts, or onto your social media feeds.

  • 24.12.18: heiliger Abend

    Der Bünder Stadtteil Ennigloh in strahlendem Sonnenschein.

    Vor Jahren löste ich bei einer Kollegin Entsetzen aus, als ich sagte Weihnachten sei für Kinder. Aber genauso wird der Heilige Abend hier gehandhabt. Ein paar kleine Geschenke werden überreicht, Würstchen mit Kartoffelsalat kredenzt, aber kein Schnickschnack. Finde ich gut so.

    Das gute Wetter nutzend, habe ich am Nachmittag noch einen kleinen Spaziergang in der Gegend unternommen.

    Facebook hat ein Projekt namens Common Ground auf Eis gelegt, welches den zivilisierten Diskurs fördern sollte:

    It would have altered News Feed rankings to boost posts that were commented, liked or shared by people across different political ideologies. It would also have also downplayed comments that led to vitriolic discussions.

    Das wären aus meiner Sicht nicht die schlechtesten Ideen gewesen – obwohl man sich fragen kann, wie sinnvoll es ist, den Unzulänglichkeiten des Algorithmus mit noch mehr Algorithmus zu begegnen. Gestoppt wurde das Feature offenbar, weil Facebook Kritik von konservativer Seite befürchtete:

    Kaplan raised concerns when Facebook research revealed that conservative users tended to be more polarized than their left-leaning counterparts. In trying to mitigate that polarization, Kaplan argued, Facebook would have disproportionately hurt conservative voices.

  • 23.12.18: Tristesse owl

    In Ostwestfalen ist es trüb, nass und kalt, wie so oft zu Weihnachten. Das obige Foto entstand auf dem Weg zum griechischen Restaurant heute Mittag – also dem Weg vom Auto zur Eingangstür.

    Stichwort Auto: https://bielinski.de/2018/12/das-deutsche-auto

    Harald Schmidt hat eine Serie geschrieben und darüber mit dem Deutschlandfunk gesprochen. Unbedingt hören wegen des Satzes, der für ihn die Digitalisierung in Deutschland besser zusammenfasst als jeder andere (jenes Interview mit Peter Altmaier hatte ich auch gehört).

    It’s radical to realize that we don’t have to believe our thoughts. Thoughts are just stories.

    Manchmal kann es Twitter noch, nämlich meinen Hang zum merkwürdigen Humor bedienen. Über diesen Tweet habe ich schallend gelacht:

    „wie viele ramones braucht man, um eine glühbirne zu wechseln?“ – „vier!“— siemers (@siemers) 21. Dezember 2018