• Bethan Kellough – Aven

    Mehr Sound Design als bloßes Ambient-Rauschen; mitunter ertönen gar Streicher (Instrumente!). Eine sehr vielfältige Platte, die ich schon erworben habe, ehe der erste Probedurchlauf vorüber war – natürlich bei Bandcamp.

    Bethan Kellough creates sound worlds that weave together instrumental materials, sound design and ambisonic field recordings. Her composition ‘Aven’ is based on a recording made in Iceland in 2015, which features the booming sound of underground geothermal activity escaping to the surface through a small shaft.

  • Arkady Martine – A Desolation Called Peace

    Die Fortsetzung von A Memory Called Empire und leider nicht so gut. Zuviel Prosa in einer sich eher im Schneckentempo fortbewegenden Story, auch das eindrucksvolle Worldbuilding des ersten Bandes wird hier eher stiefmütterlich behandelt, zuviele Entscheidungen des Imperiums Teixcalaan wirken erstaunlich abwegig – um nicht zu sagen: dumm.

    Es bewahrheitet sich also, was Mehrteiler und Serien in der Fantastik allzuoft ausmacht: abnehmende Qualität. Daher besinne ich mich auf meinen Vorsatz zurück, nur noch in sich geschlossene Bücher des Genres zu lesen. Ausnahme natürlich: Die Culture.

  • Salman Rushdie – Die Satanischen Verse

    Gelesen und gut gefunden. Und anstrengend, verwirrend, schillernd, eindrucksvoll. Und gut. Mehr vermag ich derzeit leider nicht dazu zu sagen.

  • Stefan Schulz – Die Altenrepublik

    Seit Jahrzehnten vorhergesagt, macht er sich langsam und mit zunehmender Dringlichkeit bemerkbar: Der demographische Wandel. Ich fand das Thema immer in gewisser Weise langweilig, weil das Geburtenraten und Alterung ja eher Randbedingungen der Gesellschaft als ein handhabbares politisches Problem sind.

    Dabei wurde sicher auch immer auf die realen politischen Probleme hingewiesen, die sich aus diesem Wandel ergeben. Stefan Schulz, dessen Redaktionsschluss ich vor Jahren schon gerne gelesen habe, und dessen Podcastaktivitäten mich ebenfalls seit Jahren begleiten, tut das jedenfalls und zwar auf denkbar originelle Weise.

    Es geht in diesem Buch nicht um die Rente, verspricht Schulz in der Einleitung, und er gibt auch niemandem Schuld. Er ergeht sich aber auch nicht in Predigten, wie ich sie noch aus der SPD kenne, wonach man das Älterwerden als „Schatz“ begreifen oder lediglich als Problem der Pflegeversicherung auffassen müsse. Zu den interessantesten Ideen, das nur als ein Beispiel von vielen, zählt für mich das Verschwinden der Jugend(kultur) resp. ihr Kolonisierung durch die Älteren.

  • Die Nerven

    Das neue Album der hochgeschätzten Gruppe „Die Nerven“ trägt den Namen „Die Nerven“. Ich habe die Schallplatte eben bei Bandcamp bestellt.

  • Harry Sword – Monolithic Undertow

    Ich habe zugegebenermaßen etwas anderes erwartet, wurde aber nicht enttäuscht. Verspricht einer der Blurbs An inspired and intuitive navigation of the drone continuum, so geht es dabe gerade nicht um ein Genre – Ambient oder eben Drone – sondern eher einen Modus des Musikmachens, der sich, wie Sword zeigt, mehr oder weniger deutlich durch die Menschheitsgeschichte zieht.

    Drone, das nicht enden wollende Dröhnen, Brummen, Rauschen oder Singen, begann vor Jahrtausenden in Höhlen und Bauwerken mit entsprechenden architektonischen Eigenschaften, wurde von der Avantgade im zwanzigsten Jahrhundert begeistert aufgegriffen, und durch Gitarrenfeedback, John Cales Viola, Synthesizer, Krautrock, No Wave, Sonic Youth, Techno, die Bass-Gottesdienste von Sunn O))) und viele weitere Künstlerinnen und Künstler immer und immer wieder aufs Neue in Schwingung gehalten.

    Insofern ist Monolithic Undertow das bedeutend interessantere Buch als das von mir erwartete, weil es Genregrenzen vollkommen frei überschreitet. Die diversen Kapitel unterscheiden sich jedoch deutlich in ihrer Interessanz. Immer dann, wenn es Sword gelingt, Musik und Künstler vor dem Hintergrund bestimmter sozialer Umstände an bestimmten Orten zu zeichnen (oft New York und England), könnten seine Schilderungen kaum spannender sein.

    Geht es hingegen um die Genese von Doom Metal irgendwann in den achtziger und neunziger Jahren oder um Krautrock im Nachkriegsdeutschland, mutet das Buch wie eine Aufzählung von Bands und deren Veröffentlichungen an. Keine Frage: Ich schätze Sonic Youth und respektiere Melvins und Swans ebenso wie Can und Neu!, musste mich davon jedoch nicht ein weiteres Mal überzeugen.

    Aber das sind Petitessen. Vor allem ist Monolithic Undertow ein herausragendes Manifest der künstlerischen Freiheit voller liebenswerter Menschen und hochinteressanter Künstlerinnen und Künstler, die sehr oft und in zahlreichen Genres atemberaubend gute Musik mach(t)en.

  • Arkady Martine – A Memory Called Empire

    Eine Space Opera, die zum größten Teil aus Diplomatie und politischer Intrige besteht? Shut up and take my money!

    Dieses Buch ist so gut, dass ich ihm sogar verzeihe, dass es bereits eine Fortsetzung gibt (entgegen meiner Regel, keine Serien mehr zu lesen, weil sie im Verlauf einfach nie besser werden und so zeitraubend sind) auf die ich mich auch sehr freue.

  • 14. September: Auf dem 7. Längengrad

    Wir haben Fahrräder gemietet (mein erstes E-Bike!), sind auf der Insel hin und hergefahren, haben gut gegessen und getrunken. Alles ist sehr gut.

  • 13. September – Juist, Tag 1

    Die Anreise gestaltete sich so, wie unsere Bahnreisen in den Urlaub immer sind: Pünktlich und stressfrei.

    Von Wanne-Eickel bis Norddeich-Mole fährt ein Intercity, dann die recht eintönige Fahrt mit der Fähre, anschließend 1000 Meter Fußweg zur Ferienwohnung.

    Gerade blicke ich vom geöffneten Fenster über Watt und Vogelschutzgebiet. Juist ist eine autofreie Insel. Gelegentlich ertönt leise das Geräusch von Radfahrenden, die am Deich entlang radeln. Herrlich.

  • David Graeber, David Wengrow: Anfänge

    Der inzwischen leider verstorbene Anthropologe Graeber und der Archäologe Wengrow untersuchen die Frühgeschichte der Menschheit mit Blick auf das heutige Wissen über ihre soziale Organisation.

    Damit wenden sie sich vor allem gegen eine landläufige Lesart, der auch ich als jemand, der soziologische Systemtheorie schätzt, anhänge. Ihr zufolge habe sich die Entwicklung im Wesentlichen von einfachen hin zu immer komplexeren Gesellschaften vollzogen.

    Damit einher geht (was mich betrifft) eine traurige Unausweichlichkeit (oder gar Alternativlosigkeit) der Gegenwart. Repräsentative Demokratie und kapitalistische Marktwirtschaft seien das höchste der Gefühle und das Beste, war wir bis hierher erreichen konnten. Denke ich das? Schon, ja. Bin ich damit zufrieden? Eher nicht.

    Aber ich verwehre mich oft gegen ein „Herumdoktorn“ an der Demokratie, etwa mit Bürgerräten, Parite-Gesetzen, Losverfahren und weitreichender direkter Demokratie, weil ich glaube, dass wir mit den Instrumenten, die wir haben, Probleme durchaus lösen können – und zwar nicht schlechter als mit anderen Instrumenten, wohl aber mit unabsehbaren Nebenfolgen.

    Graeber und Wengrow wollen gerade diese Unausweichlichkeit und Alternativlosigkeit der Gegenwart abräumen, indem sie aufzeigen, wie vielfältig soziale Ordnungen in der menschlichen Vergangenheit waren und wie selbstverständlich Gruppen und Völker mit ihnen experimentiert haben sollen.

    Wie sind wir stecken geblieben? Wie sind wir bei einer einzigen Ordnung gelandet?

    Diese Schilderungen, die rund um die Welt und an etliche unerwartete Orte führen, sind über viele hundert Seiten uneingeschränkt faszinierend und hochgradig empfehlenswert – zumal sie den Menschen unabhängig von ihrem angeblichen „Entwicklungsstand“ ein Maß an Agency und Selbstbestimmung zuschreiben, das selten ist.

    Aufgeräumt wird dabei auch – stets im Lichte aktueller archäologischer Erkenntnisse – mit lange bestehenden Mythen, etwa, dass Landwirtschaft Privateigentum und Territorialität herbeigeführt habe, oder, dass Bewässerungssysteme nur mit Bürokratie und Hierarchie hätten errichtet werden können.

    Die größten politischen Errungenschaften resultieren oftmals aus Epochen, die gerne als dunkle Zeitalter abgetan werden, weil sie nicht mit grandiosen Bauwerken aufwarten können.

    Eine echte Antwort auf die Frage, wo wir stecken geblieben sind, liefern die beiden Autoren meines Erachtens nicht. Aber geweckt wurde bei mir ein gehöriges Maß an Experimentierfreude hinsichtlich sozialer Ordnungen. Über dieses Buch werde ich hoffentlich noch lange nachdenken.