Autor: Wolf

  • Wie die Schulklassen von Jahr zu Jahr immer ‚deutscher‘ wurden #schauhin

    Denke ich an systematischen Rassismus in Deutschland, dann fällt mir immer die Schulzeit ein. Und zwar von der ersten bis zur dreizehnten Klasse. Als ich eingeschult wurde, 1986, hatte ich erstmals Kontakt mit ‚Ausländern‘. Ein Viertel, vielleicht ein Drittel der Klasse bestand aus Kindern, die, oder deren Eltern, das weiß ich nicht, einen Migrationshintergrund hatten.

    Was mich rückblickend daran so fasziniert, ist, dass es mich, und ich glaube auch die anderen ‚autochthonen‘ Kinder, überhaupt nicht interessiert hat. Es war keine relevante Kategorie. Ich habe es nicht wahrgenommen. Das waren alles für mich neue und unbekannte, und zwar gleichermaßen neue und unbekannte Kinder. Den Namen Tilmann kannte ich vorher ebenso wenig, wie den Namen Murat.

    Besonders eindrücklich erinnere ich dabei meinen ersten Kindergeburtstag, zu dem ich mit völliger Selbstverständlichkeit auch Hamid und Markus eingeladen habe. Markus war, glaube ich, russlanddeutscher Herkunft. Eindrücklich vor allem deshalb, weil ich mich erinnere, dass meine Eltern – leider – gewisse Bedenken wegen Hamid und Markus hatten. Das war neu. Kannte ich vorher nicht. Wohl mein erstes Erlebnis mit Rassismus, rückblickend. Hamid und Markus waren jedenfalls trotzdem da.

    Zumindest zum Kindergeburtstag. Ein, oder zwei Jahre später waren sie aber weg. Ob sitzengeblieben, oder weggezogen, das weiß ich nicht mehr. Jedenfalls wurden meine Klassen von Versetzung zu Versetzung immer ‚deutscher‘. Und versuche ich mich an meine Klasse nach der Versetzung aufs Gymnasium zu erinnern, dann fällt mir beim besten Willen keine/r ein, die oder der einen Migrationshintergrund hatte.

    So läuft das hier. Und das ist systematischer Rassismus. Und das ist himmelschreiend ungerecht. Und weil das in NRW war, nach grob geschätzten fuffzig Jahren SPD-Regierung, gibt es hier auch nicht den geringsten Anlass für Parteienwerbung. Thilo S. ist ja schließlich immer noch drin…

  • Links. Dieses Mal am Montag (5.8.13)

    Mailpile: Crowdfunding Kampagne für sicheren Webmail-Client gestartet

    „Um wieder die Kontrolle über seine eigenen Mails zu erlangen, wurde nun das Projekt Mailpile gestartet. Ziel ist es, einen freien und offenen Webmail-Client zu entwickeln, der auf dem eigenen Computer oder Server läuft und mit dem ohne Zusätze per OpenPGP verschlüsselt kommuniziert werden kann.“

    Mit analogen Analogien wird die digitale Zukunft nicht gestaltet | Lummaland 

    „So lange wir immer noch darüber diskutieren müssen, dass Schule Whiteboards bekommen sollten, oder dass Tablets in die Schulranzen gehören, oder dass digitale Lernmittelfreiheit dazu gehört, oder dass das Erlernen einer Programmiersprache dabei hilft, die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft zu verstehen, oder dass freie WLAN ohne Störerhaftung zu nutzen sind, oder dass Breitband wirklich flächendeckend verfügbar ist, oder dass Open Data die Grundeinstellung für Inhalte von Behörden sein sollte, oder dass die Kreativwirtschaft das Zukunftsfeld für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes darstellt, oder dass wir schneller werden müssen, dass wir wieder mehr Neugierde haben müssen, um das Neue zu begreifen, das durch die Digitalisierung tagtäglich entsteht, so lange können die Politikerinnen und Politiker aller Parteien fröhlich irgendetwas postulieren, Fördermilliarden an deutsche Großkonzerne verteilen, Milliönchen an Startups unter Wahrung hoher bürokratischer Hürden mit spitzen Fingern rüberreichen und ansonsten auf einen latenten Anti-Amerikanismus in der Gesellschaft hoffen.“

    Die Demokratie und der Verfassungschutz | anmut und demut 

    „Zum einen halte ich es für gefährlich und falsch, die Demokratie in Frage zu stellen. Eben weil unser Staat nichts weiter ist, als die Summe unserer Vorstellungen davon. Je öfter wir die Vermutung hegen, die Demokratie sei bedroht, die Demokratie sei schwach, schwächen in Wirklichkeit nur wir sie und nicht jene, die sie von Außen anzugreifen scheinen.“

    Warum junge Deutsche kaum protestieren: Macht doch mal was! – Politik – Süddeutsche.de

    „Doch woran liegt es, dass die Empörung diffus bleibt, die Wut ungehört verraucht? Das hat erstens mit einer fatalen Kombination zu tun, die die Situation der Jungen auszeichnet: Sie leben eine halbwegs erträgliche Gegenwart, haben jedoch ständig eine unsichere Zukunft vor sich. Immerhin haben die Jungen in Deutschland im Gegensatz zu ihren Altersgenossen in Spanien und Griechenland noch Büros, in die sie tappen können. Gerade angesichts der Dramen, die sich in den Nachbarländern abspielen, wird den Berufseinsteigern hierzulande umso schmerzlicher bewusst, dass es ihnen eigentlich ganz gut geht.“

    Slow swordfighting : Cennydd Bowles

    „During the Cold War, when chess was a political battleground (I’m talking real spy shit here: thrown matches, defections, allegations of hypnosis…) match organisers fixed boards under the tables to prevent players kicking each other.“

    Hamburg In English • Salad: A false friend

    • „Kartoffelsalat: Not potato salad, but potatoes in mayonnaise.
    • Heringsalat: Not herring salad, but bits of herring in mayonnaise
    • Nordseekrabbensalat: These delicious North Sea prawns aren’t served on a bed of lamb’s lettuce, but in mayonnaise.
    • Fleischsalat: Not meat salad, but strips of meat in mayonnaise.“

    Via wirres.net

  • Aus den Tiefen des Netzes 14.07.13

    Statement von Edward Snowden zu seinen Asylplänen

    „I believe in the principle declared at Nuremberg in 1945: “Individuals have international duties which transcend the national obligations of obedience. Therefore individual citizens have the duty to violate domestic laws to prevent crimes against peace and humanity from occurring.“

    Krypto ist keine Politik | fxneumann · Blog von Felix Neumann

    „Verschlüsselung ist eine technische Lösung für ein rechtliches und soziales Problem; damit ihr Ziel in bezug auf Alltägliches wie Gespräche und Kontakte erreicht wird, braucht es aber weniger technische als rechtliche und soziale Lösungen. Wäre es anders, käme es zu einer Spirale der rechtlosen Eskalation, die die Leute abhängt, denen die Fähigkeiten oder Ressourcen fehlen, mit aufzurüsten. Macht statt Politik.“

    Leider wohl wahr. Alles, was ich derzeit in Bezug auf Selbst hosten und Kryptographie ist spielgetriebenes Experiment mit geringster Ausfallsicherheit. Siehe dazu auch Marcel Weiß

    10.07.2013: Zwei Akkorde für ein Halleluja (neues-deutschland.de) 

    „Das Berliner Trio Banque Allemande brilliert auf dem Gebiet der Motorsägengitarrenmusik“

    Stimmt

    Experten unter sich: Warum die Regierung findet, dass die Snowden-Affäre uns nichts angeht

    „Wir beobachten vielmehr die Herausbildung einer sich nach und nach akzentuierenden „internationalen Aristokratie“ (Philip Allott). Grenzüberschreitende Behördenvernetzung schafft (noch) keinen Weltstaat. Es lassen sich aber die entsprechenden Netzwerkphänomene als Momente von Weltstaatlichkeit deuten (die Unterscheidung zwischen Weltstaat und Weltstaatlichkeit hat der Bielefelder Politikwissenschaftler Mathias Albert eingeführt) – und diese Momente von Weltstaatlichkeit nehmen deutlich expertokratische Züge an.“

    NSA dich doch selber!

    „Meine Wunschvorstellung ist, meinen eigenen Mailserver auf antischokke.de laufen zu haben, mit schniekem Webinterface und der einfachen (!) Möglichkeit, Mails zu verschlüsseln. Und das ganze muss dann auch noch Hand-in-Hand mit einer Android-App gehen.“

    Meine auch. Andererseits s.o.

  • W. Blake – London

    I wander thro‘ each charter’d street,
    Near where the charter’d Thames does flow,
    And mark in every face I meet
    Marks of weakness, marks of woe.

    In every cry of every Man,
    In every Infant’s cry of fear,
    In every voice, in every ban,
    The mind-forg’d manacles I hear.

    How the Chimney-sweeper’s cry
    Every black’ning Church appalls;
    And the hapless Soldier’s sigh
    Runs in blood down Palace walls.

    But most thro‘ midnight streets I hear
    How the youthful Harlot’s curse
    Blasts the new born Infant’s tear,
    And blights with plagues the Marriage hearse.

    Anlass: „there is more understanding of the nature of capitalist society in a poem like ‚i wander through each charter’d street‘ than in three quarters of Socialist literature.“ (aus G. Orwells Essay ‚Charles Dickens‘)

  • Scraps of useless information

    image

    Was gut kommt: Orwells Essays im Wechsel mit den Kapiteln aus Luhmanns Soziale Systeme zu lesen. Letzterer aus der schon fast stratosphärischen Vogelperspektive in der ihm eigenen eigenen Sprache, die einem Algorithmus gleichkommt. Ersterer einer, der mitten drin steckte und genau dort sein wollte:

    „To love the surface of the earth and to take a pleasure in solid objects and scraps of useless information.“

  • Die digitale Unterwerfung – taz.de

    “ Das Ergebnis sind freie BürgerInnen, die sich vieles wünschen dürfen, aber keine Macht besitzen. Jenseits des Reichs der Wünsche beginnt aber jene neue Dimension von Macht, die uns derzeit von einem internationalen Staatenkartell vor Augen geführt wird. Wir brauchen ein Wort für diese Epoche der digitalen Unterwerfung. Das Gefühl dazu gibt es bereits. Es ist die Ohnmacht.“

    http://m.taz.de/!119463;m/

  • Links am Sonntag 7.7.13

    Island, Occupy und der kurze Sommer der Anarchie

    „David Graeber ist als Poster-Intellektueller und Gründerfigur der Occupy-Bewegung, James C. Scott als Erforscher staatsfreier Räume in Südostasien und anderswo berühmt geworden. Beiden gemeinsam ist die Überzeugung, dass Regierung, Gesetze, Justiz, Polizei, Zwang zu regelkonformem Verhalten, mit einem Wort: Staat etwas ist, das man besser auf Abstand halten sollte – und zwar nicht nur in der intimen Privatheit des Schlafzimmers, Beichtstuhls und Sprechstundenraums, sondern dort, wo es um um die öffentliche Lösung kollektiver Probleme, um Politik geht. Dass dort, wo der Staat nicht ist, nicht etwa der Hobbesianische Bürgerkriegsalptraum losbricht, sondern freie Menschen ihr Zusammenleben auf die gleiche friedliche und vernünftige Weise regeln, wie sie es ohnehin die meiste Zeit schon tun: indem sie miteinander reden und sich auf Lösungen verständigen, mit denen alle im Großen und Ganzen zufrieden sein können.“

    Notiz an mich: Lesen.

    Bundespräsident Gauck erklärt: Die Geheimdienste speichern unsere Gesprächsinhalte nicht in Aktenbänden 

    „Das Global Information Grid der USA speichert unter anderem im Datencenter in Utah eine Datenmenge, die in Yottabytes gemessen wird. Das sind 360 Milliarden mal so viele Daten wie Stasi-Unterlagen. In Relation der DDR-Einwohnerzahl zur gesamten Weltbevölkerung heute sind das 6,5 Millionen mal mehr Daten – pro Person.“

    Bankrotterklärung.

    Thorstena » Ritter von der traurigen Gestalt 

    „Als solitärer Cryptohacker ist man dieser Maschinerie also ganz fix schutzlos ausgeliefert, wohingegen eine institutionalisierte Hydra-Organisationsstruktur eine solche mit potentiell zu köpfenden Redundanzen füttern könnte, bis sie unter Verstopfung leidet.“

    My Favourite Records mit Wigald Boning | Monarchie & Alltag 

    „er bringt gemeinsam mit seinem musikalischen Partner Robert Di Gioia auf dem eigenen Label “Hobby Musik” gleich acht (!) selbst eingespielte Konzeptalben auf einmal heraus – unter anderem findet sich darunter ein Album, das 48 Punktracks aus Bildschlagzeilen bastelt oder auch ein (musikalisch durchaus gelungener) Ausflug in die Gefilde der Softporno-Musik.“

    Ich hatte damals ja die Platte von ‚Die Doofen‘.

    Die wurstgewordene Vitamintablette: Edekas Eigenmarken aus dem Lebensmittellabor | Supermarktblog 

    „Nochmal zum Mitschreiben: Weil wir zu wenig Fisch essen, obwohl das Gegenteil ernährungstechnisch ratsam wäre, stattdessen aber sehr gerne Wurst, hat Edeka die guten Fettsäuren aus dem Fisch in die Wurst massiert und rühmt sich jetzt damit, dass die nicht mal nach Fisch schmeckt.“

  • Links am Sonntag 30.6.13

    Punksänger Jens Rachut: Empathie mit Backsteinen – taz.de

    „Jens Rachut ist die Symbolfigur der Hamburger Punkszene: Unversöhnlich, pampig, aber gut. Nun veröffentlicht der 59-Jährige zwei neue Alben.“

    Voyager 1 Discovers Bizarre and Baffling Region at Edge of Solar System | Wired Science | Wired.com

    „Not content with simply being the man-made object to travel farthest from Earth, NASA’s Voyager 1 spacecraft recently entered a bizarre new region at the solar system’s edge that has physicists baffled. Their theories don’t predict anything like it.“

    Automatisch zusammengedingste Pinboard-Bookmarks der letzten Tage

  • Links am Sonntag – 23.06.13

    Wenn schon digitale Gesellschaft, dann bitte richtig | Sozialtheoristen

    „Die Politik – die eben mehr als nur einen freiwilligen Service anbietet – hat sich als Ansprechpartner für die Zivilbevölkerung, die im Digitalen dieselben Rechte einfordert, wie seit jeher für das Versenden von Briefen oder Besuche in einer Bibliothek beinah vollständig disqualifiziert.“

    Tim O’Neill’s answer to The Holocaust: What are the most convincing bits of evidence which prove, beyond a shadow of doubt, that the Holocaust occurred? – Quora

    Schon wieder eine tolle Antwort bei Quora. Das Argument schlechthin gegenüber Holocaustleugnern:

    „No Nazi was ever a Holocaust denier. This one, simple fact shows that everything the modern deniers try to claim is a post hoc contrivance. From 1945 onwards, thousands of Nazis were captured and hundreds tried for their part in the Holocaust and other crimes against humanity. They tried to pretend they were someone else, they tried to pretend they didn’t know what was happening, they tried to pretend they didn’t have as much to do with it as others, they tried to claim they were just following orders and they tried to justify it as „the kind of thing that happens in war“. But what not one of them ever did was deny it happened.“

    Raspberry Pi als Media Center – hirnrekorder

    „Ich bin kürzlich zu einem Fernseher gekommen und sah mich in der Not, diesen zu bespielen. Ein günstiges Media Center sollte her und nach einigem hin und her entschied ich mich wegen kleinem Footprint, hoher Flexibilität und halbwegs geringen Ansprüchen, für einen Raspberry Pi und im Folgenden erzähle ich möglichst detailreich von meinem Setup, denn es läuft jetzt und ich bin verdammt zufrieden.“

    Was man mit diesen Raspberry Pi Dingern alles machen kann. Glaube, ich brauche auch einen. Siehe auch:

    Onion Pi – Convert a Raspberry Pi into a Anonymizing Tor Proxy, for easy anonymous internet browsing – Boing Boing

    „Browse anonymously anywhere you go with the Onion Pi Tor proxy. This is fun weekend project that uses a Raspberry Pi, a USB WiFi adapter and Ethernet cable to create a small, low-power and portable privacy Pi.“

    Für diesen Text bin ich aus der SPD ausgetreten

    „Aber was genau erwarte ich von einem der Autoren des Instant-Klassikers des modernen Hetzjournalismus mit dem Titel „Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen… und die Akropolis gleich mit!“ Doch, auch dieser Text ist von Kleine als einem von drei unterzeichnenden Autoren. Er enthält auch den Satz ‚Ihr kriegt Kohle. Wir kriegen Korfu.‘ Dieser Rolf Kleine ist jetzt Sprecher von Peer Steinbrück.“

    Wir Naiven und der Big Data Brother

    „Dabei sind die Geheimdienste, bei denen der Heiße und Kalte Krieg eigentlich nie zu Ende war, ein einziger Wiederspruch zu Demokratie. Sie sind von ihrer Verfasstheit institutionalisierte Verschwörungen, sie haben einen unaufhaltbaren Sammeltrieb. Sie lassen sich nicht durch Parlamente kontrollieren. Wie in Atomkraft schlummert in ihnen ein unkalkulierbares „Restrisiko“: Das des totalitären Staats.“

    Ich finde, die Frage, ob wir noch Geheimdienste brauchen, sollte mal zur Diskussion gestellt werden. Zum Beispiel in der SPD.

    The Great Dereliction – Umair Haque – Harvard Business Review 

    „I’d like to advance a simple thesis: today’s leaders are failing on a grand, epic, global, historic scale — at precisely a time when leadership is sorely needed most. They’re failing me, everyone under the age of 35, and everyone worth less than about $50 million.“

    Guter Rant. Eigentlich jeder Satz zitabel. Wobei ich die Führungsschwäche ja nicht an den Personen festmachen würde, sondern an den Organisationen. Andererseits traue ich den Schluss auch Haque zu, also wird er schon wissen, was er tut.