Zweites Gesetz zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes von CDU und SPD in Hessen

Die Fraktionen von CDU und SPD (immer auch die SPD, nie vergessen!) möchten, dass bestimmte Patienten nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie Polizeibehörden gemeldet werden sollen.

Hierzu äußerte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Ralf-Nobert Bartelt mit betörender Offenheit bei dem sozialen Netzwerk „Instagram“: „Es gibt Menschen, die sind schwer psychiatrisch erkrankt, sie sind eine Gefahr für sich selbst und die Gesellschaft.“ Hier müsse der Staat etwas tun. Deshalb sehe der Gesetzentwurf vor, „dass diese Personen den Ordnungsbehörden gemeldet werden müssen„. Darüber berichtet unter anderem die „Hessenschau“.

Der Gesetzentwurf Zweites Gesetz zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes kann hier als PDF heruntergeladen werden. Er wurde gemäß Beratungsverlauf des Landtags am 26. Juni 2025 in das Plenum eingebracht (erste Lesung) und irritierenderweise schon am 25. Juni vom Gesundheits- und Familienpolitischen Ausschuss (GFA) beraten.

Weder ein Plenarprotokoll (21/44) noch ein Ausschussprotokoll liegen derzeit vor. Der Ausschuss wird offenbar eine öffentliche mündliche Anhörung durchführen. Das Datum kann ich den spärlichen Informationen ebenfalls nicht entnehmen.

Der Gesetzentwurf ist ein schlanker Fünfseiter, der dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz zwei Absätze hinzufügt. Erstens soll § 1, der den Anwendungsbereich des Gesetzes regelt, um einen Satz ergänzt werden, wonach eine psychische Störung im Sinne dieses Gesetzes auch „eine mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehende Abhängigkeit von Suchtstoffen“ sei.

Die Äußerungen des gesundheitspolitischen Sprechers der Christdemokraten im Landtag beziehen sich auf die zweite Ergänzung. Ihr zufolge soll dem § 28 des Gesetzes ein neuer Absatz angefügt werden:

Erfolgte die Unterbringung aufgrund einer Fremdgefährdung und besteht zum Zeitpunkt der Entlassung aus medizinischer Sicht die Sorge, dass von der untergebrachten Person ohne ärztliche Weiterbehandlung eine Fremdgefährdung ausgehen könnte, sind zusätzlich zur Mitteilung nach Abs. 3 Satz 1 die für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständige örtliche Ordnungsbehörde und Polizeibehörde von der bevorstehenden Entlassung unverzüglich zu unterrichten. Mit der Entlassungsmeldung sind die notwendigen Informationen für eine Gefährdungseinschätzung zu übermitteln; dies gilt auch für die Entlassungsmeldung an den örtlich zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst nach Abs. 3 Satz 1.

Die genannte Mitteilung nach Abs. 3 Satz 1 hat bei dem für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort der untergebrachten Person örtlich zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst zu erfolgen. Neu ist also die Information der zuständigen Ordnungs- und Polizeibehörde.

Irritierend finde ich den Begründungsteil des Gesetzentwurfs zu diesem Punkt, denn er begründet wenig, sondern formuliert viel zusätzlichen Regelungsbedarf. So wird behauptet, dass „hierdurch ein hinreichender Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden zur effektiven Gefahrenabwehr gewährleistet“ werde.

Zugleich sei aber „für einen zielgerichteten Einsatz behördlicher Ressourcen [..] hierbei zum Zwecke der akuten Gefahrenabwehr eine enge und kooperative Zusammenarbeit zwischen den Sozialpsychiatrischen Diensten, örtlichen Ordnungsbehörden und Polizeibehörden sicherzustellen„.

Auch wird betont, diese Mitteilungen an Ordnungs- und Polizeibehörden „nicht generell, sondern nur in begründeten Einzelfällen erfolgen müssen„. Entscheidend sei, ob aufgrund einer fundierten ärztlichen Einschätzung „zu befürchten sei, dass ohne eine ärztliche Weiterbehandlung eine begründete Fremdgefährdung bestehen könnte„.

Abgesehen von der infamen Gleichsetzung psychischer Erkrankung mit Gefährlichkeit wirft das jede Menge Fragen bezüglich der Bedeutung von Begriffen wie hinreichend, zielgerichtet, eng, kooperativ, generell oder auch begründet auf. Ich bin gespannt auf die Anhörung, die sich hoffentlich anschauen oder nachlesen lässt.

Nachtrag: Gerade lese ich das ausgezeichnete Buch Zwischen Hass und Haltung von Derviş Hızarcı. Darin gibt es die folgende Passage:

In Hamburg wurde im Frühjahr 2024 ein Verbot von Ganzkörperverschleierung für Schülerinnen erlassen. Das betrifft im gesamten Stadtstaat rund zehn Personen. Dass man sich eher die Mühe macht, ein Gesetz für zehn Menschen zu erlassen, anstatt zehn Gespräche zu führen, zeigt die Schieflage in diesen Debatten.

Nun weiß ich nicht, wie groß der Personenkreis derjenigen ist, um den es bei dem Gesetzentwurf von CDU und (niemals vergessen) SPD geht, aber das ist eigentlich auch egal. Wenn es Menschen gibt, die einer Weiterbehandlung bedürfen, dann besteht die Pflicht, ihnen eine Weiterbehandlung anzubieten. Wenn es zehn sind, dann behandelt man, spricht man mit, kümmert sich um zehn Menschen. Sind es einhundert, dann kümmert man sich um einhundert Menschen. Alles andere ist inakzeptabel, mindestens aber eine Schieflage.

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