Autor: Wolf

  • 2021 musikalisch

    Gehe ich nach meinem last.fm-Profil, so war 2021 das musikärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen (2005). Aber ich habe das Schallplattehören wiederentdeckt, im Frühjahr einige aus dem elterlichen Keller geborgen und sogar ein paar gekauft.

    Trotzdem habe ich 2021 wirklich wenig Musik gehört. Es gilt eben, was ich schon vergangenes Jahr geschrieben habe: Musik muss sich auch bei mir zunehmend gegen alle Medienalternativen durchsetzen.

    Wenn es um musikalische Neuentdeckungen geht, bin ich inzwischen sehr genügsam. Eine Handvoll neue Bands (Weather Station, Sprints), ein exzellentes Album einer altbekannten Band (Notwist) und die eine oder andere Ambient-Veröffentlichung nebenbei und drumherum – das genügt mir vollauf. Hier sind meine diesjährigen Top 5 und ein Honorable Mention:

    The Weather Station – Robber

    2021 hat mich nach B. Eilish und Fiona Apple schon wieder eine Frauenstimme mehr begeistert als alle anderen. Tamara Lindemans Weather Station kamen für mich aus dem Nichts und überzeugten schon mit dem Perkussion-Intro zum Übersong Robber. Opulent und trocken produziert, mit Talk Talk-Anleihen, die sie nur noch edler klingen lassen.

    Sprints – Drones

    Dem Himmel sei gedankt für Sprints aus Irland, die Noisepunk machen als es sei es noch 2002 und ich ginge gleich ins Forum Bielefeld. Die erste Band seit Jahren, auf deren Deutschlandtour (wenn es wieder Touren und Konzerte gibt) ich mich über alle Maßen freue.

    Eluvium – Hallucination I

    Nicht das beste Ambient-Album, aber wohl der beste Track dieses Jahres stammt von Matthew Eluvium Cooper. Hallucination I (auf dem Album famose 14 Minuten kurz) wünsche ich mir für die nächste Denis Villeneuve-Verfilmung von irgendeinem Science Fiction-Stoff.

    Gewalt – Es funktioniert

    Nach Jahren fantastischer EPs machen Gewalt den ungewönlichen wie folgerichtigen Schritt und veröffentlichen ein Album. Das hat aus dem Presswerk bis zu mir etwas länger gebraucht und wird daher noch erkundet. Der Opener Es funktioniert reiht sich aber ein in zahllose Gewalt-Hits von Szenen einer Ehe bis So geht die Geschichte:

    Perila – Fallin Into Space

    Das beste Ambient-Album des Jahres stammt von Alexandra Zakharenko aka Perila. Es knarzt und brummt exakt so, wie es das soll. Und mehr gibt es dazu auch gar nicht zu sagen, wie es sich für gute Ambientmusik gehört.

    Honorable Mention: Ike & Tina Turner – River Deep Mountain High

    Nicht aus diesem Jahr – oder Jahrhundert -, aber die größte Entdeckung seit der letzten größten Entdeckung ist ausgerechnet Rockröhre Tina Turner mit diesem Übersong aus 1967. Christian Ihle schrieb dazu alles nötige

    Jedenfalls, über „River Deep, Mountain High“ kann nicht geschrieben werden, ohne Tina Turners Stimme zu erwähnen: wie sie sich gegen Ende des Songs alleine gegen diesen mächtigen, mächtigen Wall Of Sound stemmt, zwischen 2.45 und 3.00¹ fast begraben wird, „Baby“, „Baby“ schreit, nur um in den folgenden, letzten dreißig Sekunden des Songs noch einmal den Refrain aufzunehmen und Spectors Produktion unter ihrer Stimme zu begraben – das gehört sicherlich zu den machtvollsten Vocals der Musikgeschichte.

    1) da bezieht er sich wohl auf eine andere Version als die im obigen Video, das ist nämlich gar nicht so lang. Man hört aber trotzdem, was er meint.

    Und nun – wie auch schon in den Jahren 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010 und 2009 – mit unumstößlicher Genauigkeit die Top50 der meistgehörten Bands und Künstler im Jahr 2021:

    RangBand / KünstlerPlays
    1Radiohead197
    2The Weather Station165
    3The Notwist159
    436 & Zakè78
    5Perila74
    6International Music66
    7Tortoise61
    8Sun Ra58
    9Sprints42
    10Tirzah40
    11Norah Lorway34
    12Zinn33
    13Aphex Twin29
    14Lambchop28
    15Sault28
    16Night Sea27
    17Fontaines D.C.26
    18Gidge25
    19Purl25
    20phirnis24
    21Eluvium23
    22Mouse on Mars22
    23My Bloody Valentine22
    24Boards of Canada21
    25Low21
    26Madvillain21
    27Die Heiterkeit20
    28Gewalt18
    29black midi17
    30Godspeed You! Black Emperor17
    31The 1978ers (yU & Slimkat)17
    32Orchestral Manoeuvres in the Dark16
    33Sleaford Mods16
    34Damu The Fudgemunk, Archie Shepp & Raw Poetic15
    35Marvin Gaye15
    36R.E.M.15
    37Ana Tijoux13
    38Celeste13
    39DVA13
    40Simon Pyke13
    41There is Still an Orchestra13
    42Damu The Fudgemunk12
    43Eliane Radigue12
    44N Chambers12
    45qualchan.12
    46Sonic Youth12
    47Wir12
    48All diese Gewalt11
    49Cocteau Twins11
    50Fehler Kuti11
  • Kathryn Schulz – The Best American Essays 2021

    Essays sind auch ein wunderbares Genre, so wie Kurzgeschichten, Kurzfilme oder zwanzigminütige Ambient-Rauschepen.

    Diese Sammlung bündelt zwanzig Texte aus dem Jahr 2020. Thematisch bilden die Pandemie und Black Lives Matter wohl einen Schwerpunkt, aber die Auswahl geht doch klar darüber hinaus.

    So analysiert beispielsweise Fintan O’Toole lesenswert den Katholizismus von Joe Biden, Max Read nimmt The Twittering Machine zum Anlass, die den sozialen Medien innewohnende Todessehnsucht zu betrachten.

    Den Abschluss bildet das atemberaubende Stück Witness and Respair von Jesmyn Ward – in der Tat über Covid und BLM -, das mich direkt veranlasste, eines ihrer Bücher zu kaufen.

  • Sprints – Manifesto

    Fulminanter Grrl-Noise: Vier Tracks, vier Euro. Empfohlen vom Popblog der taz, natürlich gekauft bei Bandcamp.

  • Tade Thompson – Far from the Light of Heaven

    Ein Buch, das sie beim Future Ltd Podcast sehr wohlwollend besprochen haben – und nicht zu Unrecht, vereint Far from the Light of Heaven doch eine Murder Mystery an Bord eines Raumschiffs mit einer beeindruckenden Dichte an Cliffhangern und Twists, interessanten Aliens, künstliche Intelligenz und einer Prise Afrospiritualismus.

    Mehr über Tade Thompson bei iAfrica: The Nigerian Doctor who Writes Sci-Fi on the Side

  • Joe Haldeman – The Forever War

    Dieses Buch wollte ich eigentlich lesen, als ich neulich aus Versehen nochmal Old Man’s War gelesen habe. Aber das war wenigstens lustig.

    The Forever War verfügt über genau einen Trick, nämlich die Spielerei mit relativistischen Geschwindigkeiten und Zeitdilatation. Heißt: Der Protagonist fliegt ein paar Monate durchs All, um irgendwo gegen die Dingsbums (Name vergessen) zu kämpfen und im Rest der Welt vergehen derweil ein paar Jahre bis Jahrhunderte.

    Hat der Pappkamerad Protagonist (es ist wirklich egal, wie er heißt) dann mal Landurlaub, hat sich auf der Erde in der langen Zwischenzeit natürlich so einiges verändert. Im Fall dieses Machwerks heißt das, dass alle Menschen homosexuell sind. Wegen der Überbevölkerung. Logisch. Damit hat unser konturloser Hauptdarsteller zwar so seine Probleme – reißt sich aber gerade so eben zusammen und gemeinsam kämpft man dann doch die Entscheidungsschlacht gegen die Dingsbums und gewinnt um Haaresbreite.

    Es ist unfassbarer Schwachsinn. Man fasst sich fortwährend an die Rübe.

  • Alan Watts – Zen

    Achja, dieses Buch las ich auch. Bücher dieser Art entspannen mich derzeit und das ist auch vollkommen o.k..

  • Marlen Haushofer – Die Mansarde

    Marlen Haushofer kannte ich bisher nur durch die Verfilmung von Die Wand.

    Wo ich die Empfehlung der Mansarde herhabe, weiß ich leider nicht mehr genau – Twitter oder ein Blog.

    Die Erzählung passt wunderbar zu der Stimmung, zu den Figuren und zu der Verschränkung von Innenwelt und Außenwelt, wie ich sie in Die Wand wahrgenommen habe – aber in einem ganz anderen Setting.

    Haushofer ist seit langer Zeit die interessanteste Stimme, die ich in der Literatur entdeckt habe. Erst vor wenigen Tagen gab es beim Deutschlandfunk Kultur eine Lange Nacht über die Schriftstellerin, die ich unbedingt hören werde.

    (Irre, wie sehr mich die Frau auf dem Titelbild an Fleabag erinnert)

  • Werner Herzog – Vom Gehen im Eis

    Winter 1974: Werner Herzog marschiert von München nach Paris, denn er ist überzeugt, dass die im Sterben liegende Lotte Eisner überleben wird, wenn er das tut.

    Das dabei entstandene Logbuch changiert zwischen der winterlichen Szenerie der Alpen und immer traumartiger werdenden Szenen. Kurz und gut. Sehr gut.

  • Max Frisch – Stiller

    Ich kann mich nicht erinnern, wie ich dieses Buch bei meiner ersten Lektüre vor rund zehn Jahren fand. Dieses Mal hinterlässt Stiller den Eindruck des Portraits eines wehleidigen, larmoyanten Mannes. Die Frau muss sterben, damit die Männer leiden können. Das stört mich – auch ob des billigen Schauwertes – immens.

    Die Frage der Identität („ Ich bin nicht Stiller“) mag interessant wirken, hätte man den Stoff in eine Novelle gepackt; so hat man einen überkomplex verästelten Roman vor sich, ohne zu wissen, wohin der Großteil der Äste eigentlich hätte wachsen sollen.

  • Tirzah – Colourgrade

    Eine Künstlerin aus dem Umfeld von Mica ‚Micachu‚ Levi, deren jüngstes Album gerade überall – z.B. hier – gefeiert wird. Und zwar vollkommen zu Recht.

    Natürlich gekauft bei Bandcamp – deren Funktion zum Einbetten von Alben gerade nicht vorhanden ist. Hoffentlich kein Dauerzustand.