Autor: Wolf

  • Resonanz und Politik

    In der jüngsten Sendung der Reihe Sein und Streit bei Deutschlandfunk Kultur stieß ich auf den Jenaer Soziologen Hartmut Rosa, der darin als Theoretiker der „Resonanz“ vorgestellt wird:

    Resonanz, darunter versteht er eine Form der Begegnung zwischen Menschen oder zwischen einem Menschen und der Welt, die von Emotion, der Erfahrung von Selbstwirksamkeit und von Transformation geprägt ist.

    Im Audiobeitrag wird das klarer, wenn er erklärt, eine Begegnung oder Diskussion sei resonant, wenn sie im Wissen um die Möglichkeit erfolgt, dass sie einen selbst, die eigenen Überzeugungen oder Meinungen ebenso verändern könne, wie man selbst das Gegenüber und dessen Überzeugungen verändern kann (und wohl auch will).

    Derartige Begegnungen sind im (medialen) Alltag tatsächlich rar. In politischen Talkshows (dieses Beispiel führt Rosa selbst an) gilt als Verlierer, wer nachgibt. In den sozialen Netzwerken trifft oft das selbe zu – wobei interessant ist, warum das so ist; ist das Talkshow-Verhalten hier eingeübt? Macht die Öffentlichkeit den Unterschied – ob im TV oder im Netz? Oder die Flüchtigkeit und Anonymität der Begegnung?

    Und beim eigentlichen Thema der Sendung, den Protest- und Widerstandsbewegungen kann von einem Diskurs oder argumentativen Austausch ja überhaupt nicht gesprochen werden.

  • Auch noch offen: Endlagersuche

    Interessant: Es gibt ein Nationales Begleitgremium, welches die Endlager-Suche für hoch radioaktive Abfälle vermittelnd begleiten soll.

    Seine letzte Pressemitteilung datiert auf den 10.04.2017, die Bundestagsfraktion der Grünen kritisiert in einer Kleinen Anfrage eine „zu enge Angliederung an das Bundesumweltamt als Einschränkung der unabhängigen Arbeit des Gremiums“.

    Das Protokoll der Sitzung vom hält den Beschluss fest, sich mit einem Schreiben an den Präsidenten des Deutschen Bundestags Dr. Wolfgang Schäuble sowie die Fraktionsvorsitzenden wenden.

    Das Schreiben, für welches als Sitzungsunterlage ein Entwurf vorliegt, solle die Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass das Nationale Begleitgremium rund zwei Jahre nach seiner Konstituierung immer noch nicht vollständig ist, und die dringende Bitte an die Adressaten richten, sich dafür einzusetzen, dass die Wahl weiterer Mit-glieder sehr zeitnah erfolgen kann.

    Protokoll 22. Sitzung des Nationalen Begleitgremiums am 14. November 2018 in Berlin

  • Ich mag Parteitage

    Ich schaue gerne Parteitage – aller Parteien. Weil ihnen stets und trotz aller Parteitagsregie ein amateurhaftes, fast anarchisches Moment innewohnt, im Gegensatz etwa zu den hoch professionellen parlamentarischen Debatten. Auf jedem Parteitag gibt es immer auch Reden und Wortbeiträge, die Einblicke in das Innenleben und Meinungsbild der Partei bieten, die man sonst selten wahrnimmt.

    Ich mag sie auch, weil sie die Anstrengung und mitunter Umständlichkeit von Demokratie so gut darstellen. Sie dauern lange und oft länger als geplant, hunderte Menschen müssen sich an einem Ort treffen, das Präsidium ringt mit der Tagesordnung, Schlangen vor den Wahlkabinen, Zählkommissionen. Und entgegen meiner Erwartung fühlt sich das oft an, als sei das richtig so, wie und weil es sich der Digitalisierung widersetzt.

    Und ich mag sie, weil sie dafür stehen, wie Parteien funktionieren sollten (und eben auch können), nämlich von oben nach unten, so wie es das Delegiertenprinzip vorsieht: Ortsverbände entsenden Delegierte auf die nächsthöhere Ebene, aus deren Mitte werden Delegierte auf die Landesebene und von dort auf die Bundesebene geschicht. Alle Probleme der Einflussnahme sind sattsam bekannt und sollten nicht schöngeredet werden. Aber das Prinzip funktioniert und ist gut.

  • Gelesen: Dirk Baecker – 4.0 oder Die Lücke die der Rechner lässt

    Dirk Baecker aktualisiert seine Thesen zur nächsten Gesellschaft in der zugänglichsten Form, die mir bislang untergekommen ist. Über 26 Thesen hinweg untersucht Baecker verschiedene Einrichtungen und Formen der Gesellschaft, über ihre Strukturform (das Netzwerk), ihre Kulturform (die Komplexität), diverse Funktionssysteme wie Politik und Wirtschaft bis hin zu eher speziellen Formen wie dem Sport, der Gesundheit und dem Witz.

    Dabei werden stets die vier großen Medienepochen der Sprache (in der Stammesgesellschaft), der Schrift (in der Antike), des Buchdrucks (moderne Gesellschaft) und der digitalen Medien (die nächste Gesellschaft) miteinander verglichen. Hier von einer soziologischen Vogelperspektive zu sprechen, ist schon fast eine Untertreibung. Orbital wäre angemessener.

    Baecker lässt aber keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass es sich um Thesen handelt. Auch als Leser denkt man durchweg ‚Könnte sein, muss aber nicht‘. Der zugrundelegende Gedanke, dass Netzwerke zunehmend Funktionssysteme als gesellschaftsprägende Strukturen ablösen, hat aber seinen Reiz. Erst heute kam mir der Gedanke, wie ungewöhnlich zum Beispiel der Wiedereintritt von Friedrich Merz in die höchste Ebene der Politik nach einem Jahrzehnt ist. Gut erklärbar ist er hingegen durch die Stabilität von Netzwerken wie dem des „Andenpakts“ und persönlicher Beziehungen zu Personen wie Schäuble, Oettinger etc.

  • Gelesen: Classic Science Fiction Stories


    Kurzgeschichten sind das ideale Format des science fiction-Genres, das ist eine Binse.

    Zugleich hing immer dem Klischee an, scifi altere schlecht. Dafür sprechen Werke wie Asimovs Foundation, Stranger in a Strange Land, oder The Moon is a harsh Mistress, die mir alle nicht zusagten, auch weil sie so altbacken wirken.

    Diese Reclam-Ausgabe vereint ein gutes dutzend stories, von denen keine nach 1970 erschienen ist – und sie sind alle gut, viele sogar sehr gut.

    Natürlich spielen viele von ihnen mit Ideen, die damals sicher noch originell sind, es heute aber nicht mehr wären. Aber genau diese Pionier-Stellung ist spürbar und bereitet beim Lesen Freude.

  • Mal lesen: Saul Friedländer

  • „Facebook’s use of “ethnic affinity” as a proxy for race is a prime example. The platform’s interface does not offer users a way to self-identify according to race, but advertisers can nonetheless target people based on Facebook’s ascription of an “affinity” along racial lines.“

    Friction-Free Racism

  • Gelesen: Anarchismus hoch 2 von Bernd Drücke (Hg.)

    Interviews und Gespräche mit interessanten Protagonistinnen, Publizisten, Aktivistinnen des Anarchismus. Darunter etwa Antje Schrupp, Konstantin Wecker, Gerhard Seyfried. Ein schönes Buch.