Das Beunruhigende am jüngsten linken Manifest, dem „Accelerate Manifesto“ (Original | deutsche Übersetzung), ist dieser neuerliche Planungsoptimismus, der da durchschimmert:
We believe that any post-capitalism will require post-capitalist planning.
Kleiner geht’s nicht? Mal eben eine post-kapitalistische Gesellschaftsordnung durchplanen, damit man, wenn’s dann soweit ist, am besten nur noch auf Play drücken muss? Und zwar übrigens vor allem, damit die Massen nicht einfach in den Kapitalismus zurückfallen, sie wissen es schließlich nicht besser:
The faith placed in the idea that, after a revolution, the people will spontaneously constitute a novel socioeconomic system that isn’t simply a return to capitalism is naïve at best, and ignorant at worst.
Der Irrglaube der Manifesteure an gesellschaftliche Planung speist sich offenbar aus dem überall in ihrem Werk hervorschimmernden Technikoptimismus. So verlässt man sich auf „sophisticated economic modelling, employing cybernetics and linear programming“. Das hat zwar alles schon in den 50er und 60er Jahren und insbesondere in den Sovjet-Staaten nicht funktioniert, sei dort aber an den „political and technological constraints these early cyberneticians operated under“ gescheitert. Mit modernen Technologien sei das alles viel besser möglich. Irgendwie… :
The tools to be found in social network analysis, agent-based modelling, big data analytics, and non-equilibrium economic models, are necessary cognitive mediators for understanding complex systems like the modern economy. The accelerationist left must become literate in these technical fields.
Zur literacy muss dann aber ein Verständnis um die eng gesteckten Grenzen all dieser Technologien gehören: Etwa, dass Big Data mehr Ungewissheit (und Fehler!) produziert als Wissen.
Der Anspruch, bessere ökonomische Modelle als die Heerscharen von Experten und solchen, die welche sein wollen, im Dienste der zahlreichen Finanzorganisationen zu kreieren, ist überdies vielleicht möglich, aber höchst anspruchsvoll. Und wahrscheinlich müsste man auch dann lernen, dass die besten Modelle keine sicheren Vorhersagen und keinerlei Planung ermöglichen.
Zumindest mich würde eine Haltung eher ansprechen, die jegliche Planungs- und Prognosefantasien fallen lässt, sich einer Versuch-und-Irrtum-Heuristik verschreibt, dafür kleinere (nicht nur, aber auch: politische) Einheiten zulässt und fordert, die dann eben auch Versuche zulassen, ohne too big to fail zu sein.