Verlinkt: mehr als mal eben meßbar. Politische Kommunikation in Facebook

Auch hier greift wieder die Diagnose, daß es nicht um »Politikverdrossenheit« geht, sondern um einen Bedeutungs- und Legitimitätsverlust hergebrachter politischer Form, Struktur und Kommunikation. Auch die politische Öffentlichkeit unterliegt einem strukturellen Wandel. Parteien und offiziöse Institutionen bündeln nicht mehr exklusiv die Willensbildung des Volkes; einfach die politische Gatekeeping-Funktion auch bei Facebook wahrnehmen zu wollen, einfach ein dezentrales, emergentes Beziehungsgeflecht mit Metriken einer Top-Down-Kommunikation zu beurteilen, muß scheitern.

Via FXNeumann

Parteien scheinen – im Netz generell – eigentlich nur zwei Gruppen anzuziehen: die entschiedenen Gegner, die dann oft als Nörgler wenn nicht Trolle auftreten und die eigenen Mitglieder bzw. Sympathisanten, die recht pauschal liken und beklatschen. Diejenigen, auf die es ankommt, weil man sie noch überzeugen muss oder kann, die unpolitischen, die unpolitisierten, finden dem Augenschein nach kaum statt. Womöglich auch, weil die Filter-bubble-Architektur sozialer Medien sie dort kaum jemals mit Politik in Berührung kommen lässt.

Das von Felix gewählte Beispiel der Guttenberg-Solidarisierungswelle halte ich für unpassend, weil es so völlig unpolitisch war. Es hätte dabei ebenso gut um Till Schweiger oder Sido gehen können (nur kommt es in deren Metiers ja nicht auf Doktorarbeiten an). Reiner Personenkult bar jeden Inhalts.


Kommentare

2 Antworten zu „Verlinkt: mehr als mal eben meßbar. Politische Kommunikation in Facebook“

  1. Ich verwende einen weiten Politikbegriff – mit Politik bezeichne ich nicht nur institutionelle Politik oder Handeln, das direkt auf handfeste »authoritative allocation of values« (David Eastons Politikbegriff) abzielt.

    Politisch ist bereits schon Beschäftigung mit Dingen von allgemeinem Interesse, das Benennen von wahrgenommenen Ungerechtigkeiten, auch in eigener Sache. (Ganz allgemein formuliert.) Ohne mit der Definition da noch weiter in die Tiefe gehen zu wollen: Vieles (durchaus auch von zweifelhafter Qualität), was auch in sozialen Netzen kursiert, würde ich unter Politik fassen: Benzinpreiswut, persönliche Betroffenheit von wirtschaftlichen und sozialpolitischen Rahmen, und eben auch die Guttenberg-Solidarisierung. Das ist boulevardesk, das ist Starkult: Es geht aber um eine im Kern politische Frage – nämlich Machtpolitik, die Frage nach den notwendigen persönlichen Qualitäten von Führungspersonal (da ist auch der Ruf nach charismatischen Führungsleuten, so unappetitlich der sein mag, eine politische Position, auch wenn sie nur affektiv vertreten wird).

    Ich sehe die Gefahr, daß wir mit unserer gebildeten Blickweise, die Politik abstrakt betrachtet und diskutiert, uns den Blick verstellen auf politische Fragestellungen und Betroffenheiten von Leuten, die sich den Luxus solcher Reflexion weder leisten können noch dazu in der Lage sind.

    (Macht Dein WordPress eigentlich keine Trackbacks oder verschluckt sich mein WordPress wieder?)

  2. Hallo Felix, mein Blog machte anscheinend tatsächlich keine Trackbacks, zumindest war die Option „Versuche jedes in Artikeln verlinkte Weblog zu benachrichtigen (verlangsamt das Veröffentlichen)“ bisher nicht angehakt und ist es jetzt – vielen Dank für den Hinweis.

    Um meine Sichtweise zunächst zu skizzieren: Ich sehe die Gefahr, dass der insitutionelle Kern von Politik (den diese braucht!) zunehmend verschwimmt. Dazu gehört aktuell z.B., dass der Personalvorschlag für einen Kanzlerkandidaten der SPD gemeinhin schon als offizieller Kanzlerkandidat gehandelt wird (von den Medien sowieso, von der Partei bisweilen auch). Die Causa Guttenberg ist ein weiteres Beispiel.

    Damit will ich die von Dir beschriebene Gefahr keinesfalls vernachlässigen – im Gegenteil! Das ist ein Punkt, der Beachtung verdient und den ich auch beachten will.