Anfangs ein wenig wie Der Name der Rose im Weltraum, dann eine hochinteressante Variation der KI-Thematik in der Science Fiction. Das wohl interessanteste Worldbuilding seit Langem mit viel philosophischem Unterbau. Man versteht gerade genug, um von dem Ideenreichtum fasziniert zu sein.
-
2022 gelesen
39 im Jahr 2022 gelesene Bücher – das lässt mich fast den Vorsatz in Betracht ziehen, in diesem Jahr weniger zu lesen. Dafür gibt es bereits das alberne Fachwort Reading Deprivation.
Später werde ich wissen, daß Viel-Lesen ein Narkotikum ist, mit dem man die Kanäle verstopft, aus denen die eigenen Gedanken kommen sollten.
Der Laden von Erwin StrittmatterIm Januar begann ich wegen der sich heraufziehenden Weltlage, Clarks Sleepwalkers über die Zeit unmittelbar vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs zu lesen. Das war … eindrucksvoll.
Gut waren die alten Kurzgeschichten von Judith Hermann. Auch die Techno-Thriller von [[[Blake Crouch]]](https://wolfwitte.blog/2022/08/27/erneut-gelesen-recursion-von-blake-crouch/) lasen sich bei erneuter Lektüre sehr unterhalten. [[Iain M. Banks]]‘ Culture ist nach wie vor die beste Science Fiction, die ich kenne.
Luhmanns Gesellschaft der Gesellschaft hat mich mehrere Monate begleitet und es hat Spaß gemacht.
Manches, was ich gerne gut finden wollte, hat mich eher genervt, etwa die Satanischen Verse, Cormac MacCarthy oder auch manches (oder gar alles?) von Heinrich Mann. So manches deutsche Sachbuch hat sich als eher dünne, ausgewalzte These entpuppt.
Es folgt die Liste des in 2022 Gelesenen nebst willkürlicher Sternchen-Bewertungen:
- Eva Demski: Mein anarchistisches Album – ★★★★☆
- Cormac MacCarthy: Stella Maris – ★★☆☆☆
- Ectavia E. Butler: Parable of the Talents – ★★★★☆
- Cormac MacCarthy: The Passenger – ★★☆☆☆
- Marcus Quent: Kon-formismen – ★★★★★
- Amal el Mohtar und Max Gladstone: This is how you lose the Time War – ★★☆☆☆
- Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft – ★★★★★
- Arkady Martine: A Desolation called Peace – ★★☆☆☆
- Salman Rushdie: Die satanischen Verse – ★★★☆☆
- Stefan Schulz: Die Altenrepublik – ★★★★☆
- Ralph Ellison: Invisible Man – ★★★★★
- Harry Sword: Monolithic Undertow – ★★★★☆
- Arkady Martine: A Memory Called Empire – ★★★★☆
- Graeber und Wengrow: Anfänge – ★★★★☆
- Heinrich Mann: Der Untertan – ★★★☆☆
- Blake Crouch: Recursion – ★★★★☆
- Natascha Strobl: Radikalisierter Konservatismus – ★★★☆☆
- Blake Crouch: Dark Matter – ★★★★☆
- Blake Crouch: Upgrade – ★★★☆☆
- Zen-Geist im Home Office – ★★★☆☆
- Ray Bradbury: Zen in der Kunst des Schreibens – ★★★★☆
- Eduard von Keyserling: Wellen – ★★★★☆
- Jeff VanderMeer: Annihilation – ★★★★★
- Joseph Conrad – Heart of Darkness – ★★★★☆
- Kim Stanley Robinson – The Ministry for the Future – ★★★☆☆
- Judith Hermann – Nichts als Gespenster – ★★★☆☆
- Friedhelm Schäffer, Oliver Nickel – Die Lebensgeschichte des Ferdinand Matuszek – ★★★★☆
- Judith Hermann – Sommerhaus, später – ★★★★★
- Alex Hochuli, George Hoare, Philip Cunliffe – The End of the End of History: Politics in the Twenty-First Century – ★★☆☆☆
- Paul Cornell – Rosebud – ★★★☆☆
- Adam Przeworski – Krisen der Demokratie – ★★★★☆
- Dietrich Bonhoeffer – Widerstand und Ergebung – ★★★★☆
- Iain M. Banks – Matter – ★★★☆☆
- Heinrich Mann – Im Schlaraffenland – ★★★☆☆
- Christopher Clark – The Sleepwalkers – ★★★★☆
- Louis-Ferdinand Céline – Reise ans Ende der Nacht – ★★★★☆
- Iain M. Banks – Look to Windward – ★★★★☆
- Ulf Erdmann Ziegler – Eine andere Epoche – ★★★☆☆
- Ian M. Banks – Inversions
-
Eva Demski – Mein anarchistisches Album
Geschichten über Anarchisten. Und Anarchistinnen. Keine Glorifizierung, Aktualisierung oder Verklärung, sondern eine sehr persönliche und mitunter überraschende Auswahl an Persönlichkeiten und Personen, die sich antiautoritär betätigt haben – und das heißt vor allem: vorgewagt. Nicht auf dem Sofa schlau dahergegrübelt, wie ich immer … ein sehr schönes Buch.
-
Cormac MacCarthy – Stella Maris
Auch dieser „Begleitroman“ zu The Passenger hat nichts erhellt. Es gibt tatsächlich keine nennenswerte Handlung. Daher habe ich überhaupt keine Lust, mich mit damit noch weiter zu beschäftigen. Ärgerliche Zeitverschwendung …
-
„Kon-Formismen“ von Marcus Quent
Ein schönes, dichtes Essay von rund 50 Seiten Länge, auf das ich durch die hervorragende Besprechung des jüngsten „Marvel“-Films von Wolfgang M. Schmitt stieß.
Quent rechnet hart und fundiert mit der Art ab, wie sich moderne Politik lagerübergreifend vollzieht. Die Spannung besteht in dem, was dadurch ausgeschlossen ist und möglich wäre.
-
Octavia E. Butler: Parable of the Talents
Ihre Fortsetzung des grandiosen Parable of the Sowers widmet Butler vorrangig der Earthseed-Religion, die ihre Hauptfigur Lauren Olamina gewissermaßen stiftet und der sie zur Verbreitung verhilft. Gekleidet wird das in eine tragische, oft schmerzhafte Geschichte aus Verlust und Niederlage, die über alle Maßen gelungen ist.
Allein, die vielen über das Buch verteilten Earthseed-Verse sind wirklich alle außerordentlich naiv und schlicht. Auch vermag die Idee einer „rationalen Religion“, die die Menschheit zu ihrer Destiny among the stars führt, ihre Abwegigkeit nicht abzuschütteln.
Warum eigentlich Religion? Weil nur sie die nötige Langlebigkeit an den Tag legt, um entsprechend langfristige Ziele zu verfolgen, lässt Butler ihre Olamina sagen. Das klingt plausibel: Weltreligionen wie Katholizismus, Islam und Buddhismus sind vor allem alt und über ihr langes Leben hinweg nahezu unbewegt. Aber sie verfolgen auch alle keine realweltlichen Ziele oder Zwecke. Geht es darum, so sind gerade die Systeme überlegen, die sich vermeintlich kurzfristigen Horizonten bewegen: Demokratie, Marktwirtschaft, Wissenschaft.
Das ist wohlbemerkt keine Kritik an der Parabel der Talente. Es spricht im Gegenteil für das Buch, dass man so über sie nachdenken kann.
-
Sprints – ‚Back Catalogue‘ LP
Von Sprints schrieb ich schon vor einem Jahr mit großer Begeisterung. Jetzt haben sie endlich ihren grandiosen Output auf Vinyl gepresst und ich habe ihn erworben: Versand irgendwann im … März? OK, immerhin wird das dann eine schöne Überraschung. Bis dahin habe ich den Kram immerhin in der Bandcamp-App und als MP3.
-
2022 musikalisch
Es lässt sich leider nicht leugnen: Radiohead ist meine Lieblingsband. Vergangenes Jahr auf Rang 1, dieses Jahr auf 3 mit dem Offshoot The Smile auf der 1. Dabei fand ich deren Album gar nicht so besonders gut – aber einzelne Songs schon, die ich entsprechend häufig gehört habe.
Recht spät im Jahr entdeckte ich das Album And In The Darkness, Hearts Aglow von Weyes Blood, das mir sehr gut gefällt und somit die Tradition hervorragender Sängerinnen fortsetzt, die ich seit einigen Jahren pflege. Nennenswert ist überdies das selbstbetitelte Album der Gruppe Die Nerven.

Ich habe in diesem Jahr ausweislich meines last.fm-Profils sogar etwas mehr Musik gehört als im Vorjahr. Auch achte ich längst nicht mehr so pedantisch wie früher darauf, dass auch wirklich jeder abgespielte Song protokolliert wird, beispielsweise wenn ich Schallplatten höre.
Und nun – wie auch schon in den Jahren 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010 und 2009 – mit unumstößlicher Genauigkeit die Top50 der meistgehörten Bands und Künstler im Jahr 2022:
Rang Band/Künstler Plays 1 The Smile 122 2 Die Nerven 106 3 Radiohead 99 4 Weyes Blood 94 5 Grace Cummings 79 6 Beth Orton 56 7 Sault 48 8 Florence + the Machine 43 9 The Caretaker 38 10 Boards of Canada 35 11 Jane Deasy 34 12 OG Keemo 34 13 King Hannah 33 14 Perila 33 15 Lightning Bolt 31 16 The Beatles 31 17 Neil Young 30 18 Less People 29 19 Bethan Kellough 26 20 Future of the Left 26 21 Marvin Gaye 25 22 Beak> 23 23 Kendrick Lamar 22 24 Wire 22 25 Danger Mouse, Black Thought 21 26 Mobb Deep 21 27 Abdullah Ibrahim 20 28 James Murray 20 29 Pixies 20 30 dEUS 19 31 Low 19 32 Lucio Battisti 18 33 eilean rec. 17 34 Eliane Radigue 17 35 Jon Hopkins 17 36 There is Still an Orchestra 17 37 Kate Bush 16 38 [[Sprints]] 16 39 Stella Sommer 16 40 The Four Tops 16 41 Éliane Radigue 15 42 Kommando Sonne-Nmilch 15 43 Oma Hans 15 44 The Velvet Underground 15 45 The Weather Station 15 46 Broadcast 14 47 Lambchop 14 48 DVA 13 49 Eels 13 50 Nilüfer Yanya 13 -
„This is How You Lose the Time War“ von Amal El-Mohtar und Max Gladstone
Zwei Agenten verfeindeter Fraktionen in einem temporalen Krieg beginnen einen heimlichen Briefwechsel und verlieben sich ineinander. Die Novelle wurde mit Preisen überhäuft, erhält exzellente Bewertungen, eine Verfilmung soll in der Mache sein, allein … ich fand sie sterbenslangweilig.
Zu poetisch ist die Prosa, zu vage sind die Figuren gezeichnet, zu monoton die Abfolge von Brief auf Brief, als dass mich diese Geschichte in irgendeiner Weise mitgenommen hätte. Was schade ist, denn konzeptionell ist das alles ganz hervorragend.
-
Niklas Luhmann – Die Gesellschaft der Gesellschaft
Begonnen am 20. März, also habe ich rund sieben Monate für 1150 Seiten gebraucht. Dabei sind sind ca. 250 Notizen in Obsidian entstanden, was für meine Verhältnisse wenig ist; ich habe mich absichtlich gebremst. Die nun zu verlinken und in den Graphen einzubetten wird ein großer Spaß.
Und wozu das alles? Um Gesellschaft besser verstehen und beschreiben zu können natürlich. Ob das gelungen ist, wird die Zeit zeigen. Fünf Sternchen gibt es allein schon dafür, dass ich das Monstrum überhaupt durchgelesen habe.