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  • Daniel Loick – Anarchismus zur Einführung

    Ja, was soll ich sagen? Ich kann nicht anders als zu Themen, die mich interessieren, immer mehr und mehr zu lesen. Das ist bei einer politischen Philosophie, die ausgesprochenen Wert auf Praxis legt, ein wenig absurd. Gleichwohl ist das Buch sehr gut, gibt einen breiten Überblick, setzt sich kritisch mit dem Thema auseinander und legt viele mögliche Spuren zum (jaja …) Weiterlesen.

  • Cormac McCarthy – The Road

    Von irgendwoher sprang mich The Road an, ich glaube, es war die Verfilmung auf Mubi. Ich habe den Film aber bereits gesehen und verspürte keinerlei Bedürfnis es noch einmal zu tun. Also das Buch, welches mich sowohl durch seine Schönheit wie durch seinen Schrecken in dem Entschluss bestärkte; die Schönheit in McCarthys Prosa und das absolute Grauen, welches er beschreibt.

  • Klassiker: Guider von Disappears (2011)

    Am schönsten sind Bands, von denen man nicht das geringste weiß, außer, dass sie dieses eine Album gemacht haben. Disappears fallen in die Ära, in der ich noch akribisch Pitchfork gelesen habe, um anschließend den jeweils aktuellen Filesharingdienst zu konsultieren. Vermutlich kommen sie aus New York.

    Auf Guider praktizierten sie die bestmögliche Form von Rockmusik, die gerne als treibend bezeichnet wird; versehen mit stoischem Krautrock-Beat und veredelt durch das exaltierte Shouting, das in seiner Intensität doch eigenartig monoton bleibt. Am schönsten an dieser dreißigminütigen Platte (davon fünfzehn allein der Schlusstrack) ist vielleicht sogar der melodiöse Bass.

  • Jana Costas – Im Minus-Bereich

    Dieses Buch hat Wolfgang M. Schmitt im Salon des Die neuen Zwanziger-Podcasts vorgestellt und mich zum Kauf angeregt.

    Die Autorin und Professorin für Personal, Arbeit und Management Jana Costas hat sich für diese ethnografische Studie einem Reinigungsteam am Potsdamer Platz angeschlossen und schildert die Dramen der Würde, wie sie den grundlegenden sozialen Zusammenhang beschreibt:

    Sie sind so sehr mit ihren je eigenen Dramen der Würde beschäftigt, dass sie es unterlassen, sich zusammenzuschließen, sich über den von ihnen geschaffenen Mehrwert klarzuwerden und mit vereinten Kräften für Anerkennung, höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.

    Und noch pointierter:

    Reinigungskräfte streben nicht danach, zu so etwas wie einer Klasse an und für sich zu werden – im Gegenteil: Sie arbeiten aktiv dagegen an.

    Also keinesfalls lediglich eine Managementstudie, sondern eine sehr wertschätzende und zugewandte Beschreibung. Unbedingt lesenswert.

  • Böschungsbrände

    Vorkommnisse der vergangenen Tage:

    • Ich lese von einem herabfallenden Ast an der Hattinger Straße, der auf ein Auto stürzt. Kein Personenschaden.
    • Ich lese von einem Böschungsbrand an der A30 in [Bünde].
    • Ich bin im Blücherpark in Dortmund, als ein Ast von einem Baum fällt, was ich nicht sehe, aber höre. Glücklicherweise kommt niemand zu Schaden.
    • Ich lese von einem Böschungsbrand an der Bahnlinie in Wattenscheid (s.u.).

    Die Suche im Inoreader nach herabfallenden Ästen ist semantisch anspruchsvoll; Böschungsbrand ist hingegen ein sehr eindeutiges Stichwort:

    Vielleicht kann man ja eine kriminelle Vereinigung daraus machen.

  • Sabine Pfeiffer – Digitalisierung als Distributivkraft

    Vor ein paar Wochen dachte ich bei Mastodon laut darüber nach, ob wir als Gesellschaft überhaupt noch in der Lage seien, künstliche Intelligenz beziehungsweise Large Language Models objektiv einzuschätzen, nachdem wir in den vergangenen zehn Jahren mit Krypto und dem Metaverse schon in die eine oder andere Sackgasse hineinmanövriert wären.

    Daraufhin wurde ich auf Digitalisierung als Distributivkraft hingewiesen, in dem Sabine Pfeiffer das Neue am digitalen Kapitalismus sucht. Das Buch – kostenlos als PDF und EPUB beziehbar – ist eine überaus zugängliche Analyse, die sich überwiegend des marxistischen Instrumentenkastens bedient, um das Thema mit hoher begrifflicher Schärfe anzugehen.

    Dabei hätte ich es dem Werk sogar verziehen, hätte es sich gar nicht mit KI und LLM befasst, das tut es nämlich erst auf den letzten paar Seiten, dort aber mit imposanter Wucht. So warnt Pfeiffer vor einem „unbewusst destruktiven“ Einsatz von KI/ML, „der durch uninformierte Anwendung und einen unprofessionellen Umgang passiert und in bestimmter Hinsicht sehr spezifisch für KI/ML ist“.

    Aus empirischen Beobachtungen betrieblicher Einsatzstrategien in deutschen Unternehmen lasse sich ein unbewusst destruktiver Einsatz von KI/ML beobachten,

    • wenn die Schlichtheit des statistischen Modells völlig über- und der gewählte Anwendungskontext in seiner Komplexität gleichzeitig unterschätzt wird.
    • Weil Kausalitäten unterstellt werden, obwohl es sich nur um Datenrauschen handelt.
    • Weil Algorithmen, die in ihren Lernprozessen in die Mitte tendieren, sachlich relevante Beobachtungen als statistische Ausreißer aussortieren.
    • Weil das Wissen um Skalenniveaus der Daten und um die Notwendigkeit von deren Passfähigkeit zum gewählten Algorithmus fehlt.
    • Weil das Wissen um die Notwendigkeit der Passfähigkeit von beidem (Skalenniveaus der Daten und gewähltem Algorithmus) mit den sachlichen Gegebenheiten des Anwendungskontexts fehlt.
    • Weil die Implementierung oft allein in die Hände von Informatik und Data Science gelegt wird, ohne die Expertinnen und Experten für den angezielten Anwendungskontext mit einzubeziehen.
    • Weil Daten genutzt werden, nur weil sie vorhanden sind, ohne ihre Validität sachlich (statt nur mathematisch) zu hinterfragen.
    • Weil die Daten selbst schon systematisch verzerrt sind und reale (erwünschte oder unerwünschte) Schieflagen in Gesellschaft oder im Anwendungskontext widerspiegeln und diese sich ohne ausgleichende Gewichtung in autonomen Verarbeitungsprozessen weiter verstärken.
    • Weil die Daten eine weniger offensichtliche Verzerrung aufweisen, die sich aus der Leichtigkeit oder Erschwernis beim Sammeln der Daten faktisch ergibt und auf die bei unreflektiertem Einsatz dann nicht mal mit Gewichtung reagiert wird.
    • Weil für viele KI/ML-Anwendungen noch völlig unklar ist, wie lange mit welchen Daten gelernt werden soll und ob das nur anfänglich oder dauerhaft und immer wieder aufs Neue passieren soll – und nach welchen Kriterien dabei entschieden wird.

    Wie gesagt, eindrucksvoll. Das Buch gibt es hier zu beziehen.

  • Nick Reimer & Toralf Staud — Deutschland 2050

    Ein Buch, von dem ich erst dachte, dass ich es nicht brauche, weil ich schon alles weiß. Welch ein Irrtum.

    Die Folgen des Klimawandels werden hier anhand von unzähligen Beispielen illustriert, die sich aus Begegnungen mit Praktikern und Wissenschaftlern ergeben haben, darunter Förster, Obstbauern, Logistiker, zahlreiche Vertreter der kommunalen Verwaltung, Feuerwehrleute, aber auch Wirtschaft und insbesondere Mittelstand.

    Eindrucksvoll ist, in welchem Maße sich Wirtschaft und Gesellschaft bereits mit den Folgen auseinandersetzen. So ist das Buch vor allem ein gutes Gegengewicht zu den ermüdend idiotischen Social Media Debatten zwischen Aktivisten (die hier angenehmer Weise überhaupt keine Rolle spielen) und dem anti-aktivistischen Ressentiment.

    Allerdings wird es – das ist die wesentliche Quintessenz des Buches – nicht reichen.

  • Thomas Wagner – Fahnenflucht in die Freiheit

    Das Buch knüpft unmittelbar an Anfänge von Graeber und Wengrow an, und vertieft das kontraintuitive Verhältnis früher Staatlichkeit zu ihren Untertanen. Die haben sich nämlich, so die These, viel häufiger in das „barbarische“ Umland verdünnisiert, als sie sich den Verhältnissen fügten.

    Das wird hochinteressant am alten Testament („Das Reich Gottes ist die Anarchie“) und der Vagabundenbewegung und geringfügig weniger interessant an Freibeutertum durchgespielt.

    Ein tolles Buch, das sich mit seinen rund 200 Seiten an einem Wochenende lesen lässt. Es ist nämlich vor allen Dingen sehr spannend.

  • Gent Tag 1

    Weder fotografiere ich gerne noch gut, aber der soziale Druck, im Urlaub Fotos zu produzieren, wirkt stark genug, dass ich ein paar möglichst abseitiger Motive eingefangen habe. Am schönsten natürlich das wirklich eindrucksvolle Gewerkschaftshaus.

    Die Stadt ist außerordentlich voll, was am Feiertag liegen mag. Nach dem heutigen eher orientierungslosen Spazierengehen werden wir morgen und Samstag deutlich mehr planen und auch etliche Museen ansteuern, allein schon zur Entspannung. Die Stadt ist wirklich sehr voll.

  • Josefine Soppa — Mirmar

    Von Josefine Soppa las ich im Winter eine eindrucksvolle Kurzgeschichte im Literaturmagazin Edit und bestellte prompt ihr Debüt vor.

    Mirmar handelt von einer Mutter-Tochter-Beziehung in einer prekären Gig-Economy und der Flucht aus dieser. Der harte Realismus der Lebenswelten wird dabei auf ganz besondere Art mit einer seltsamen Welt im Verfall verbunden. Ferienwohnungen, deren Besitzer sie vergessen haben, Tankstellen, die niemand mehr anfährt, verwaiste Einkaufszentren und Strände.

    Fast ein wenig Fantastik oder das, was man wohl magischen Realismus nennt. Ein herausragendes Buch.