Nach dem Roman Daheim wieder ein Kurzgeschichtenband von Judith Hermann; dieser mit Geschichten, die oft kürzer kaum sein könnten. Kleinode. Bei Goodreads verglich jemand den Band mit einem Fotoalbum, das finde ich recht treffend. Auch wenn ich Sommerhaus, später und Nichts als Gespenster als besser in Erinnerung habe, war das eine schöne Lektüre.
Beeindruckend übrigens, wie vielsprachig die Rezensionen bei Goodreads sind. Hermann wird offenbar weit über Deutschland hinaus gelesen.
Schon lange wollte ich mehr, alles von Judith Hermann lesen. Daheim ist ein Roman der für ihre Kurzgeschichten bekannten und von mir geschätzten Autorin, vom Umfang her angemessen schmal und auf höchstem Niveau.
Was hier Heimat und was Daheim ist, erschließt sich nur näherungsweise. Hermann schreibt brillant klare Bilder in verführerisch zugänglicher Sprache mit Bedeutungen, die sich ebenso leicht entziehen wie sie sich anbieten. Meisterhaft.
Judith Hermann, von der ich erst letztes Jahr ihre Kurzgeschichtenbände Sommerhaus, später und Nichts als Gespenster las, hielt 2022 die Frankfurter Poetikvorlesungen unter dem Titel Wir hätten uns alles gesagt. Vom Schweigen und Verschweigen im Schreiben. Daraus ist dieses Buch entstanden, welches mich – viel zu spät natürlich – darin bestärkt, nun wirklich alles von Judith Hermann zu lesen.
Ich weiß nicht genau, was diese Poetikvorlesungen sind und in welchem Verhältnis das Buch zu ihnen steht. Hermann erzählt mit der ihr eigenen Stimme Geschichten persönlicherer Art, gibt gelegentlich kleine Einblicke in ihre Art des Schreibens und alles daran ist großartig.
Gut, aber nicht so gut wie Sommerhaus, später. Waren die Figuren, Szenen und Geschichten dort so minimal wie möglich gezeichnet, ohne Skizzen zu sein, arbeitet Hermann hier mit vielen breiten Pinselstrichen.
Der Name Judith Hermanns fiel in den letzten Wochen aufgrund von Poetikvorlesungen, die sie in Frankfurt absolviert hat. Das nahm ich zum Anlass, um nach ein Vierteljahrhundert den Kurzgeschichtenband Sommerhaus, später wieder aus dem Regal zu ziehen.
Seltsamerweise konnte ich mich an einen Teil der Geschichten sehr gut, an die übrigen hingegen überhaupt nicht erinnern. Ebenfalls nicht mehr präsent war mir deren wirklich erstaunliche literarische Qualität, die wirkt ohne anstrengend zu sein.
Und die verstrichene Zeit seit Verfassen und Erscheinen – immerhin fünfundzwanzig Jahre? Vielleicht wären so offenkundig weiße thirtysomething Mittelstandsmenschen, die mal gar keinen und mal entspannten künstlerischen Berufen anstrengungslos nachgehen, so nicht mehr ohne Weiteres möglich. Berlin wäre wohl wesentlich präsenter (und nerviger) mit mehr Namen von Bezirken, Straßen und Lokalen, das ist hier zum Glück noch nicht so.
Eigentlich weiß ich aber verblüffend wenig darüber, was und wie moderne deutsche Literatur eigentlich so schreibt. Ein Umstand, den es zu ändern gilt, aber vorher lese ich noch mehr von Judith Hermann.